110 Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.
teuffel belebte sich während des Krimkriegs. Der Minister-
präsident hat seine Abneigung gegen den Bruch mit Oestreich
und gegen eine Politik, wie sie nach den böhmischen Schlacht-
seldern führte, am nachdrücklichsten in allen für unsre Freund-
schaft mit Oestreich kritischen Momenten bethätigt. In der
Zeit des Fürsten Schwarzenberg, demnächst des Krimkriegs
und der Ausbeutung Preußens für die äöstreichische Orient-
politik erinnerte unser Verhältniß zu Oestreich an das zwischen
Leporello und Don Juan). In Frankfurt, wo zur Zeit des
Krimkriegs die übrigen Bundesstaaten außer Oestreich versuchs-
weise verlangten, daß Preußen sie der östreichisch-westmächt-
lichen Vergewaltigung gegenüber vertrete, konnte ich als Träger
der preußischen Politik mich einer Beschämung und Erbitterung
nicht erwehren, wenn ich sah, wie wir gegenüber den nicht
einmal in höflichen Formen vorgebrachten Zumuthungen Oest-
reichs jede eigne Politik und jede selbständige Ansicht opferten,
von Posten zu Posten zurückwichen und unter dem Druck der
Inferiorität, in Furcht vor Frankreich und in Demuth vor
England, im Schlepptau Oestreichs Deckung suchten. Der König
war nicht unempfänglich für diesen meinen Eindruck, aber nicht
geneigt, ihn durch eine Politik im großen Stile abzuschütteln.
Nachdem England und Frankreich am 28. März 1854 Ruß-
land den Krieg erklärt hatten :), waren wir mit Oestreich das
Schutz= und Trutzbündniß vom 20. April eingegangen, das
Preußen verpflichtete, unter Umständen 100000 Mann in Zeit
von 36 Tagen zu concentriren, ein Drittel in Ostpreußen, die
beiden andern zu Posen oder zu Breslau, und sein Heer, wenn
die Umstände es erheischten, auf 200 000 Mann zu bringen
und sich behufs alles dessen mit Oestreich zu verständigen #.
1) Vgl. Brief an Frau v. Bismarck vom 19. April 1859 S. 419.
2) S. die Kriegserklärung bei v. Jasmund, Aktenstücke zur orienta-
lischen Frage (Berl. 1855) No. CCXV (Bd. 1 S. 291 ff.).
*) Jasmund, Aktenstücke No. CCXXII. CCXKXIII.