112 Fünftes Kapitel: Wochenblattspartei. Krimkrieg.
werden, den Frieden dictiren und in Deutschland eine Preußens
würdige Stellung gewinnen können .
Frankreich ) war nicht im Stande, neben der Leistung, mit
der es in der Krim beschäftigt war, bedrohlich an unfrer West-
grenze aufzutreten. Oestreich hatte seine disponiblen Kräfte in
Ost-Galizien stehn, wo sie von Krankheiten mehr Verluste er-
litten als auf den Schlachtfeldern. Sie waren festgenagelt
durch die, auf dem Papier wenigstens, 200 000 Mann starke
russische Armee in Polen, deren Marsch nach der Krim die
dortige Situation entschieden haben würde, wenn die östreichische
Grenzausstellung ihn hätte zulässig erscheinen lassen. Es gab
schon damals Diplomaten, welche die Herstellung Polens unter
östreichischem Patronat in ihr Programm aufgenommen hatten.
Jene beiden Armeen standen einander gegenüber fest, und es
war für Preußen möglich, durch seinen Beistand einer von
ihnen die Oberhand zu gewähren. Die Wirkung einer eng-
lischen Blokade, welche unfre Küste hätte treffen können, würde
nicht gefährlicher gewesen sein als die wenige Jahre früher
mehrmals ausgestandne, uns ebenso vollständig abschließende
dänische und ausgewogen worden sein durch die Erlangung
unsrer und der deutschen Unabhängigkeit von dem Drucke und
der Drohung einer östreichisch-französischen Allianz und Ver-
gewaltigung der zwischenliegenden Mittelstaaten. Während des
Krimkriegs sagte mir der alte König Wilhelm von Würtemberg
in vertraulicher Audienz am Kamin in Stuttgart: „Wir deutschen
Südstaaten können nicht gleichzeitig die Feindschaft Oestreichs
1) Vgl. die Aeußerung Bismarck's in der Reichstagsrede vom 6. Febr.
1888, Politische Reden XII 459.
*) Der hier einsetzende Abschnitt gehört nicht mehr zu dem Bericht
über den dem Könige gehaltenen Vortrag, sondern ist rückschauende Be-
trachtung des Erzählers zu näherer Erläuterung des Gedankengangs
des Vortrags. Lenz übersieht bei seiner Kritik dieser Stelle (S. 37),
daß der mit „Ich hielte“ beginnende Satz Bestandtheil des Berichts
über den Vortrag ist, bei „Frankreich“ die Reflexion einsetzt.