Auszüge aus den Briefen des Generals v. Gerlach. 123
Nehmen die Verhandlungen in Wien einen Karakter an,
so daß man auf einen Erfolg rechnen kann, so wird man uns
schon zuziehen und uns mit unsern 300000 Mann nicht igno-
riren. Schon jetzt wäre das nicht möglich, wenn man sich nicht
durch Hinken, nicht, wie das oft geschehen, nach zwei, sondern,
was selten geschehen, nach drei Seiten, um alles Vertrauen
und alle Einflößung von Furcht gebracht hätte.
Ich wünsche sehr, daß Sie, wenn auch nur auf wenige
Tage, herkämen, um sich zu orientiren. Ich weiß aus eigener
Erfahrung, wie schnell man bei einer irgend längeren Abwesen-
heit desorientirt ist. Denn eben wegen ihrer personalissimen
Eigenschaft ist es so schwer, unsere Zustände durch Schreiben
verständlich zu machen, besonders wenn unzuverlässige prin-
cipienlose Karaktere im Spiele sind. Mir ist immer sehr un-
heimlich, wenn Se. Majestät mit Fl(ra) Diiavolo) Geheimnisse
haben; denn wenn der König seiner Sache vor Gott und seinem
Gewissen gewiß ist, so ist er gegen viele, nicht etwa blos gegen
mich, offener als gegen F. D. Bei jenen Heimlichkeiten aber
entsteht ein Gebräu von Schwäche und Finasserie auf der einen
und von animosem Servilismus auf der andern Seite, was
in der Regel etwas sehr Unglückliches zur Welt bringt.
Berlin, 23. Januar 1855.
.. Weas mich ganz niederschlägt, ist der allgemein ver-
breitete Bonapartismus und die Indifferenz und der Leichtsinn,
womit man diese größeste aller Gefahren auf sich zukommen
sieht. Ist es denn so schwer zu erkennen, wohin dieser Mensch
will? ... Und wie stehen hier die Sachen? Tbe king #can#
do no wrong). Von dem schweige ich; F. D. ist völlig Bona-
1) Bgl. 1. Könige 18, 21.
2) Briefe 2c. S. 132.
:) Der König kann kein Unrecht thun — Grundsatz des englischen
Constitutionalismus.