Denkschrift Bunsens. Unterredung mit dem Prinzen v. Preußen. 129
wird, gab Veranlassung, den vollständigen Text der Denkschrift
und, immer noch mit Schonung, den wahren Hergang der
Sache nach den Akten zu veröffentlichen („Deutsche Revue“
1882, S. 152 ff.).
In die Pläne der Ausschlachtung Rußlands hatte man den
Prinzen von Preußen nicht eingeweiht. Wie es gelungen, ihn
für eine Wendung gegen Rußland zu gewinnen, ihn, der vor
1848 seine Bedenken gegen die liberale und nationale Politik
des Königs nur in den Schranken brüderlicher Rücksicht und
Unterordnung geltend gemacht hatte, zu einer ziemlich activen
Opposition gegen die Regirungspolitik zu bewegen, trat in
einer Unterredung hervor, die ich mit ihm in einer der Krisen
hatte, in welchen mich der König zum Beistande gegen Man-
teuffel nach Berlin berufen hatte. Ich wurde gleich nach meiner
Ankunft 1) zu dem Prinzen befohlen, der mir in einer durch
seine Umgebung erzeugten Gemüthserregung den Wunsch aus-
sprach, ich solle dem Könige im westmächtlichen und antirussischen
Sinne zureden. Er sagte: „Sie sehn sich hier zwei streitenden
Systemen gegenüber, von denen das eine durch Manteuffel,
das andre, russenfreundliche, durch Gerlach und den Grafen
Münster in Petersburg vertreten ist. Sie kommen frisch hier-
her, sind von dem Könige gewissermaßen als Schiedsmann
berufen. Ihre Meinung wird daher den Ausschlag geben,
und ich beschwöre Sie, sprechen Sie sich so aus, wie es nicht
nur die europäische Situation, sondern auch ein richtiges
Freundesinteresse für Rußland erfordert. Rußland ruft ganz
Europa gegen sich auf und wird schließlich unterliegen.“ —
„Alle diese prächtigen Truppen,“ — es war dies nach den für
die Russen nachtheiligen Schlachten vor Sebastopol — „lle
unfre Freunde, die dort geblieben sind,“ — er nannte mehre —
„würden noch leben, wenn wir richtig eingegriffen und Rußland
1) Wahrscheinlich am 4. März 1854.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 9