Unterredung mit dem Prinzen von Preußen. Depeschendiebstahl. 131
erträglichen Form zu lösen. Wenn eigne Interessen keinenfalls
für, eher gegen einen Bruch mit Rußland sprächen, so wür-
den wir den bisherigen Freund und immerwährenden Nach-
bar, ohne daß wir provocirt wären, entweder aus Furcht vor
Frankreich oder im Liebesdienste Englands und Oestreichs an-
greifen. Wir würden die Rolle eines indischen Vasallenfürsten
übernehmen, der im englischen Patronat englische Kriege zu
führen hat, oder die des York'schen Corps beim Ausmarsch
zum Kriege 1812, wo die damals berechtigte Furcht vor Frank-
reich uns zu dessen gehorsamem Bundesgenossen zwangsweis
gemacht hatte.
Den Prinzen verletzte mein Ausdruck, mit zorniger Röthe
unterbrach er mich mit den Worten: „Von Vasallen und Furcht
ist hier garkeine Rede.“ Er brach aber die Unterredung nicht
ab. Wer einmal sein Vertraun hatte und in seiner Gnade
stand, konnte ihm gegenüber sehr frei von der Leber sprechen,
sogar heftig werden. Ich nahm an, daß es mir nicht gelungen
sei, die Auffassung, der sich der Prinz unter häuslichem, eng-
lischem und Bethmann-Hollweg'schem Einfluß ehrlich überlassen
hatte, zu erschüttern. Gegen den Einfluß der letztern Partei
wäre ich auch bei ihm wohl durchgedrungen, aber gegen den
der Frau Prinzessin konnte ich nicht aufkommen.
Während des Krimkriegs und, wenn ich mich recht erinnre,
aus Anlaß desselben wurde ein lange betriebener Depeschen-
diebstahl ruchbar. Ein verarmter Polizeiagent 0, der vor Jahren
seine Geschicklichkeit dadurch bewiesen hatte, daß er, während
der Graf Bresson französischer Gesandter in Berlin war, Nachts
durch die Spree geschwommen, in die Villa des Grafen in
Moabit eingebrochen war und seine Papiere abgeschrieben hatte,
wurde von dem Minister Manteuffel dazu angestellt, sich durch
bestochne Diener Zugang zu den Mappen zu verschaffen, in
1) Techen.