Prinzessin Augusta, ihre Sympathien und Antipathien. 139
daß der Beifall der öffentlichen Meinung von Paris und London
ein authentischeres Zeugniß des eignen Werthes bilde als
unser eignes Bewußtsein. Die Kaiserin Augusta ist trotz ihrer
geistigen Begabung und trotz der Anerkennung, welche die Be-
thätigung ihres Pflichtgefühls auf verschiednen Gebieten bei
uns gefunden hat, doch von dem Druck dieses Alps niemals
vollständig frei geworden; ein sichrer Franzose mit geläufigem
Französisch :) imponirte ihr, und ein Engländer hatte bis zum
Gegenbeweise die Vermuthung für sich, daß er in Deutschland
als vornehmer Mann zu behandeln sei. So ward es in Weimar
vor 70 Jahren gehalten, und der Nachgeschmack davon hat sich
mir in meiner amtlichen Thätigkeit oft genug fühlbar gemacht.
Wahrscheinlich hat in der Zeit, von der die Rede ist, auch das
Streben nach der englischen Heirath ihres Sohnes die Prin-
zessin von Preußen in der Richtung bestärkt, in welche Goltz
und seine Freunde ihren Gemal zu ziehn suchten.
Der Krimkrieg brachte die von Kind auf gewurzelte, früher
äußerlich nicht hervorgetretne Abneigung der Prinzessin gegen
alles Russische zur Erscheinung. Auf den Bällen Friedrich
Wilhelm's III., wo ich sie als junge und schöne Frau zuerst
gesehn habe, pflegte sie in der Wahl der Tänzer Diplomaten,
wohl auch russische, Zzu begünstigen und unter ihnen solche,
welche mehr für die Unterhaltung als für den Tanz begabt
waren, die Glätte des Parkets versuchen zu lassen. Ihre
später sichtbar und wirksam gewordne Abneigung gegen Ruß-
land ist psychologisch schwer zu erklären. Die Erinnrung an
die Ermordung ihres Großvaters, des Kaisers Paul w, hatte
schwerlich so nachhaltig gewirkt. Näher liegt die Vermuthung
der Nachwirkung eines Dissenses zwischen der hochbegabten,
social und politisch russischen Mutter, der Großherzogin von
X) Ihr Vorleser (Gérard) galt als französischer Spion! Vgl. Bd. II
196. 197. -
s)Am23.Mii:-z1801.