144 Sechstes Kapitel: Sanssouci und Coblenz.
eine Wendung nahm, die ihr nicht gefiel, betreffend die Stellung
des Königs Humbert, und dann stockte, ist sie mit den Worten
aufgestanden: „II parait que je suis de trop ici“, und der Kaiser
hatte dann ganz wehmüthig zum Kronprinzen gesagt: „Ueber
diese Dinge ist Deine Mutter in dieser Zeit wieder unzu-
rechnungsfähig.“
Zu den Nebenwirkungen, durch welche diese höfischen Kämpfe
complicirt wurden, gehörte auch das Mißverhältniß, in das die
Prinzessin mit dem Oberpräsidenten von Kleist-Retzow gerieth,
der das Erdgeschoß des Schlosses unter der prinzlichen Woh-
nung inne hatte und an sich, als äußre Erscheinung, als Redner
der äußersten Rechten und durch seine ländliche Gewohnheit,
häusliche Andachten mit Gesang täglich mit seinen Hausgenossen
abzuhalten, der Prinzessin lästig fiel. Mehr an amtliche als
an höfische Beziehungen gewöhnt, betrachtete der Oberpräsident
seine Existenz im Schlosse und im Schloßgarten als eine Ver-
tretung der königlichen Prärogative im Gegenhalt zu angeb-
lichen Uebergriffen des prinzlichen Haushalts und glaubte ehr-
lich, dem Könige, seinem Herrn, etwas zu vergeben, wenn er
der Gemalin des Thronerben gegenüber in Betreff der wirth-
schaftlichen Nutzung häuslicher Locale die oberpräsidialen An-
sprüche gegen die des prinzlichen Hofes nicht energisch vertrat.
Der Chef des Generalstabs von Sanssouci war, nachdem der
General von Rauch gestorben 1), Leopold von Gerlach, und seine
Beistände, aber nicht immer, mitunter auch seine Rivalen, waren
der Cabinetsrath Niebuhr und Edwin von Manteuffel, während
des Krimkriegs auch der Graf Münster. Zu der Camarilla
waren außerdem zu rechnen der Graf Anton Stolberg, der
Graf Friedrich zu Dohna und der Graf von der Gröben.
An dem prinzlichen Hofe hatte das staatliche Interesse in
der Abwehr von Schädigungen durch weibliche Einflüsse einen
1) 9. Juni 1850.