Unterredung mit Napoleon III. Verstimmung des Königs. 177
fallen und die gegen mich bereits vorhandne Verstimmung be-
sonders bei der Königin Elisabeth gesteigert hatte, konnte ich
Ende September desselben Jahres wahrnehmen. Während der
König die Rheinreise zum Dombaufest nach Köln machte, meldete
ich mich in Coblenz und wurde mit meiner Frau von dem
Könige zur Mitfahrt nach Köln auf dem Dampfsschiff eingeladen,
meine Frau aber von der Königin an Bord und in Remagen
ignorirt 1). Der Prinz von Preußen, der das bemerkt hatte,
gab meiner Frau den Arm und führte sie zu Tisch. Nach Auf-
hebung der Tafel bat ich um die Erlaubniß, nach Frankfurt
zurückzukehren, die ich erhielt.
Erst im folgenden Winter, während dessen der König sich
mir wieder genähert hatte, fragte er mich einmal bei Tafel
quer über den Tisch nach meiner Meinung über Louis Napo-
leon; sein Ton war ironisch. Ich antwortete: „Ich habe den
Eindruck, daß der Kaiser Napoleon ein gescheidter und liebens-
würdiger Mann, aber so klug nicht ist, wie die Welt ihn schätzt,
die alles, was vorgeht, auf seine Rechnung schreibt, und wenn
es in Ostasien zur unrechten Zeit regnet, das aus einer übel-
wollenden Machination des Kaisers erklären will. Man hat
sich besonders bei uns daran gewöhnt, ihn als eine Art génie
du mal?) zu betrachten, das immer nur darüber nachdenke,
wie es in der Welt Unfug anrichten könne 3). Ich glaube, daß
er froh ist, wenn er etwas Gutes in Ruhe genießen kann;
sein Verstand wird auf Kosten seines Herzens überschätzt; er
ist im Grunde gutmüthig, und es ist ihm ein ungewöhnliches
Maß von Dankbarkeit für jeden geleisteten Dienst eigen.“
Der König lachte dazu in einer Weise, die mich verdroß
und zu der Frage veranlaßte, ob ich mir gestatten dürfe, die
1) Vgl. Bismarck's Briefe an den General L. v. Gerlach S. 248 f.
2) Böser Geist.
:) Vgl. die Aeußerung Bismarck's in der Reichstagsrede vom 8. Ja-
nuar 1885, Politische Reden X 373.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 12