Brieswechsel mit Gerlach über Legitimität und Bonapartismus. 187
schaft fürchtet? Wir sind die gutmüthigsten, ungefährlichsten
Politiker, und doch traut uns eigentlich niemand; wir gelten
wie unsichre Genossen und ungefährliche Feinde, ganz als hätten
wir uns im Aeußern so betragen und wären im Innern so
krank wie Oestreich. Ich spreche nicht von der Gegenwart;
aber können Sie mir einen positiven Plan (abwehrende ge-
nug) oder eine Absicht nennen, die wir seit dem Radowitzischen
Dreikönigsbündniß in auswärtiger Politik gehabt haben? Doch,
den Jahdebusen ½; der bleibt aber bisher ein todtes Wasser-
loch, und den Zollverein werden wir uns von Oestreich ganz
freundlich ausziehn lassen, weil wir nicht den Entschluß haben,
einfach Nein zu sagen. Ich wundre mich, wenn es bei uns
noch Diplomaten gibt, denen der Muth, einen Gedanken zu
haben, denen die sachliche Ambition, etwas leisten zu wollen,
nicht schon erstorben ist, und ich werde mich ebenso gut wie
meine Collegen darin finden, einfältig meine Instruction zu
vollziehn, den Sitzungen beizuwohnen und mich der Theil-
nahme für den allgemeinen Gang unfrer Politik zu entschlagen;
man bleibt gesünder dabei und verbraucht weniger Tinte.
Sie werden wahrscheinlich sagen, daß ich aus dépit, weil
Sie nicht meiner Meinung sind, schwarz sehe und raisonnire
wie ein Rohrspatz; aber ich würde wahrlich ebensogern meine
Bemühungen an die Durchführung fremder Ideen wie eigner
setzen, wenn ich nur überhaupt welche fände. So weiter zu
vegetiren, dazu bedürfen wir eigentlich des ganzen Apparates
unfrer Diplomatie nicht. Die Tauben, die uns gebraten an-
fliegen, entgehn uns ohnehin nicht; oder doch, denn wir werden
den Mund schwerlich dazu aufmachen, falls wir nicht grade
gähnen. Mein Streben geht ja nur dahin, daß wir solche
Dinge zulassen und nicht von uns weisen, welche geeignet sind,
bei den Cabinetten in Friedenszeit den Eindruck zu machen,
—
1) Preußen gewann ihn von Oldenburg durch Vertrag vom 20. Juli
1853.