Briefwechsel mit Gerlach über Legitimität und Bonapartismus. 191
jetzt, wo uns von dort die größten Gefahren drohen. Vor der
französischen Revolution, dem schroffen und sehr praktischen
Abfall von der Kirche Christi zunächst in der Politik, war eine
Politik „der Interessen" des sogenannten Patriotismus, und
wohin diese führte, haben wir gesehen. Etwas Elenderes als
die Politik Preußens von 1778 bis zur französischen Revolution
hat es nie gegeben; ich erinnere an die Subsidien, die Fried-
rich II. an Rußland zahlte, die einem Tribut gleichkamen, an
den Haß gegen England. Bei Holland hielt 1787 noch das
alte Ansehen Friedrich's II.; die Reichenbacher Convention ½)
war aber schon eine durch Abweichung von dem Princip ver-
anlaßte Blamage. Die Kriege des Großen Kurfürsten waren
im protestantischen Interesse, und die Kriege Friedrich Wil-
helm's III. gegen Frankreich waren recht eigentlich Kriege gegen
die Revolution. Den protestantischen Charakter hatten wesent-
lich auch die drei schlesischen Kriege 1740 bis 1763, wenn auch
bei allem diesen die Interessen des Territorialismus und das
Gleichgewicht mitspielten.
Das Princip, was durch die Revolution, welche die Tour
durch Europa machte, der europäischen Politik gegeben wurde,
ist das nach meiner Meinung bis heute gültige. Es war
wahrlich nicht unpraktisch, dieser Auffassung treu zu bleiben.
England, was dem Kampfe gegen die Revolution bis 1815
treu blieb und sich durch den alten Bonaparte nicht beirren
ließ, stieg zur höchsten Macht; Oestreich kam nach vielen un-
glücklichen Kriegen dennoch gut aus der Fechtschule; Preußen
hat schwer an den Folgen des Baseler Friedens 2) gelitten und
nur durch 1813—1815 sich rehabilitirt, noch viel mehr Spanien,
1) Am 27. Juli 1790 wurde in Reichenbach zwischen Preußen, Polen,
England, den Niederlanden und Oestreich ein Abkommen unterzeichnet,
das die Unantastbarkeit des türkischen Reiches gegen Oestreich und Ruß-
land sicherte.
2) 5. April 1795.