Briefwechsel mit Gerlach über Legitimität und Bonapartismus. 193
aber nicht besser um diese Angelegenheit stände, wenn wir uns
nicht von einer „Gefühlspolitik“ hätten leiten lassen, sondern die
Sache an die europäischen Mächte, die das Londoner Protokoll
unterzeichnet, gebracht hätten, ohne uns vorher unter die Flügel
Bonaparte's geduckt zu haben, das ist doch noch sehr fraglich,
und das hatte Oestreich denn doch wirklich gewollt. Den Ge-
fangenen, für die man sich verwenden konnte, wäre doch kein
Leid geschehen.
Dann klagen Sie unfre Politik der Isolirtheit an. Die-
selbe Anklage erhob der Freimaurer Usedom, als er uns in
den Vextrag vom 2. December hineintreiben wollte, und Man-
teuffel, jetzt Usedom's entschiedener Feind, war sehr von diesem
Gedanken imponirt, Sie damals aber Gott sei Dank nicht.
Oestreich schloß damals den Decembervertrag mit, was hat es
ihm genutzt? Es taumelt umher nach Bündnissen. Eine
Quasi-Allianz schloß es gleich nach dem Pariser Frieden, jetzt
soll es eine geheime mit England geschlossen haben. Ich sehe
dabei keinen Gewinn, sondern nur Verlegenheiten. Letztere
Allianz kann nur für den Fall gültig werden, daß die fran-
zösisch-englische auseinandergeht, und auch nur bis dahin wird
Palmerston sich nicht abhalten lassen, mit Sardinien und Italien
zu coquettiren.
Mein politisches Princip ist und bleibt der Kampf gegen
die Revolution. Sie werden Bonaparte nicht davon über-
zeugen, daß er nicht auf der Seite der Revolution steht. Er
will auch nirgends anders stehen, denn er hat davon seine ent-
schiedenen Vortheile. Es ist hier also weder von Sympathie
noch von Antipathie die Rede. Diese Stellung Bonaparte's
ist eine „Realität", die Sie nicht „ignoriren“ können. Daraus
folgt aber keineswegs, daß man nicht höflich und nachgiebig,
anerkennend und rücksichtsvoll gegen ihn sein, nicht, daß man
sich zu bestimmten Dingen mit ihm verbinden kann. Wenn
aber mein Princip wie das des Gegensatzes gegen die Revo-
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 13