Briefwechsel mit Gerlach über Legitimität und Bonapartismus. 215
timen Mächte nicht intervenirt werden, das würde Bonaparte
gewiß nicht leiden, es wird aber, wenn es nicht noch einmahl
beschwichtigt wird, Seitens des Bonapartismus intervenirt
werden, schwerlich aber zu Gunsten der Clericalen oder der
Verfafsung, sondern zu Gunsten des souveränen Volkes.
Der Bonapartismus ist nicht Absolutismus, nicht einmahl
Cesarismus; erstrer kann sich auf ein jus divinum ½ gründen,
wie in Rußland und im Orient, er afficirt daher nicht die,
welche dieses jus divinum nicht anerkennen, für die es nicht ist,
es sei denn, daß es solchem Autocraten einfällt, sich wie Attila,
Mahomet oder Timur für eine Geißel Gottes zu halten, was
doch eine Ausnahme ist. Der Cesarismus ist die Anmaßung
eines Imperiums in einer rechtmäßigen Republik und recht-
fertigt sich durch den Nothstand; für einen Bonaparte ist aber,
er mag wollen oder nicht, die Revolution, d. h. die Volks-
souveränität, innerlicher, und bei jedem Conflict oder Bedürf-
niß auch äußerlicher Rechtstitel. — Aus diesem Grunde kann
mich Ihr Vergleich Bonaparte's mit den Bourbon's, mit dem
absolutistischen Oestreich ebensowenig als Napoleon's III. In-
dividualität, die mir in vieler Hinsicht auch imponirt, beruhigen.
Wenn er nicht erobert, so muß es sein Nachfolger thun, ob-
schon der prince impérial nicht viel mehr Aussicht auf den
Thron hat als viele andre, und gewiß weniger als Heinrich V.-)
— In diesem Sinne ist Napoleon III. ebenso unser natürlicher
Feind, als es Napoleon I. war, und ich verlange nur, daß
Sie das im Auge behalten, nicht aber, daß wir mit ihm
schmollen, ihn taquiniren), reizen, sein Werben um uns abweisen
sollen, aber wir sind unfrer Ehre und dem Recht eine reser-
virte Stellung ihm gegenüber schuldig. Er muß wissen, daß
wir nicht an seinem Sturz arbeiten, daß wir ihm nicht feind-
1) Göttliches Recht.
2) S. o. S. 206 Anm. 1.
] Necken, an ihm herumnörgeln.