224 Neuntes Kapitel: Reisen. Regentschaft.
Marienbad aus einen Besuch in Schönbrunn gemacht. Auf
dem Rückwege war er am 13. Juli zum Besuch des Königs
von Sachsen in Pillnitz eingetroffen, wo er an demselben Tage
von „einem Unwohlsein“ befallen wurde, das in den Bulletins
der Leibärzte aus der bei großer Hitze zurückgelegten Reise
erklärt wurde und die Abreise um mehre Tage verzögerte.
Nachdem der König am 17. nach Sanssouci zurückgekehrt war,
bemerkte seine Umgebung Symptome einer geistigen Ermüdung,
namentlich Edwin Manteuffel, der ängstlich bemüht war, jede
Unterhaltung des Königs mit Andern zu hindern oder zu unter-
brechen. Die politischen Eindrücke, die der König bei seinen
Verwandten in Schönbrunn und Pillnitz erfahren, hatten auf
sein Gemüth deprimirend, die Discussionen angreifend einge-
wirkt. Bei dem Exerciren am 27. Juli neben ihm reitend,
hatte ich im Gespräch den Eindruck des Versiegens der Ge-
danken und Anlaß, in die Lenkung seines Pferdes im Schritt
einzugreifen.
Der Zustand wurde dadurch verschlimmert, daß der König
am 6. October den Kaiser von Rußland, einen starken Raucher,
nach dem Niederschlesisch-Märkischen Bahnhofe in dem kaiser-
lichen geschlossenen Salonwagen begleitet hatte, in Tabaks-
dampf, der ihm ebenso unerträglich war wie der Geruch des
Siegellacks 36).
Es folgte, wie bekannt, ein Schlaganfall. In hohen mili-
tärischen Kreisen war die Vorstellung verbreitet, daß ein ähn-
licher Zustand ihn schon in der Nacht vom 18. zum 19. März
1848 befallen habe. Die Aerzte beriethen, ob sie einen Aderlaß
machen sollten oder nicht, wovon sie im ersten Falle Störungen
im Gehirn, im zweiten Tod befürchteten, und entschieden sich
X) Daß auch seine eigenhändigen Schreiben nicht in seiner Gegen-
wart gesiegelt wurden, hatte seine sehr bedenkliche Seite.
1) Johann.