Nicolaus' J. Stellung zu Oestreich u. Preußen. Petersb. Gesellschaft. 249
und es ist ein Zeichen großer Charakterstärke, daß er von diesen
Empfindungen sich bis an sein Lebensende nicht niederdrücken
ließ. Hätten wir damals auf dem Throne eine Persönlichkeit
gehabt, die ihm ebenso sympathisch gewesen wäre wie der junge
Kaiser Franz Joseph, so hätte er vielleicht in dem damaligen
Streit um die Hegemonie in Deutschland für Preußen ebenso
Partei genommen, wie er es für Oestreich gethan hat. Vor-
bedingung dazu wäre gewesen, daß Friedrich Wilhelm IV. den
Sieg seiner Truppen im März 1848 festgehalten und aus-
genutzt hätte, was ja möglich war ohne weitre Repressionen
derart, wie Oestreich sie in Prag und Wien durch Windischgrätz
und in Ungarn durch russische Hülfe zu bewirken genöthigt war.
In der Petersburger Gesellschaft ließen sich zu meiner Zeit
drei Generationen unterscheiden. Die vornehmste, die euro-
päisch und classisch gebildeten Grands Seigneurs aus der Re-
girungszeit Alexander's I., war im Aussterben. Zu ihr konnte
man noch rechnen Mentschikow, Woronzow, Bludow, Nessel=
rode und, was Geist und Bildung betrifft, Gortschakow, dessen
Niveau durch seine übertriebene Eitelkeit etwas herabgedrückt
war im Vergleich mit den übrigen Genannten, Leuten, die
classisch gebildet waren, gut und geläufig nicht nur französisch,
sondern auch deutsch sprachen und der crme europäischer Ge-
sittung angehörten.
Die zweite Generation, die mit dem Kaiser Nicolaus gleich-
altrig war oder doch seinen Stempel trug, pflegte sich in der
Unterhaltung aus Hofangelegenheiten, Theater, Avancement
und militärische Erlebnisse zu beschränken. Unter ihnen sind
als der ältern Kategorie geistig näher stehende Ausnahmen zu
nennen der alte Fürst Orlow, hervorragend an Charakter,
Höflichkeit und Zuverlässigkeit für uns; der Graf Adlerberg
Vater und Sohn, der nachherige Hofminister, mit Peter Schu=
walow der einsichtigste Kopf, mit dem ich dort in Beziehungen
gekommen bin und dem nur Arbeitsamkeit fehlte, um eine