252 Zehntes Kapitel: Petersburg.
tung gemacht 1). Wenn ich länger dort gewohnt hätte, so
würde ich mich haben daran gewöhnen müssen, nach französischer
Sitte mich nicht ohne Andeutung einer Decoration auf der
Straße zu Fuß zu bewegen. Ich habe auf den Boulevards
erlebt, daß bei einer Festlichkeit einige hundert Menschen sich
weder vorwärts noch rückwärts bewegen konnten, weil sie in-
folge mangelhafter Anordnung zwischen zwei in verschiedner
Richtung marschirende Truppentheile gerathen waren, und daß
die Polizei, welche das Hemmniß nicht wahrgenommen hatte,
auf die Masse gewaltthätig mit Faustschlägen und den in Paris
so üblichen coups de pied einstürmte, bis sie auf einen „Mon-
sieur décoré" stieß. Das rothe Bändchen bewog die Polizisten,
die Protestationen des Trägers wenigstens anzuhören und sich
endlich überzeugen zu lassen, daß der anscheinend widerspenstige
Volkshaufe zwischen zwei Truppentheilen eingeklemmt war und
deshalb nicht ausweichen konnte. Der Führer der aufgeregten
Polizisten zog sich durch den Scherz aus der Affaire, daß er, auf
die bis dahin von ihm nicht bemerkten, im pas gymnastique :)
defilirenden chasseurs de Vincennes deutend, sagte: „Eh bien,
i! faut enfoncer gal#) Das Publikum, einschließlich der Miß-
handelten, lachte, die von Thätlichkeiten Verschonten entfernten
sich mit einem dankbaren Gefühl für den décoré, dessen An-
wesenheit sie gerettet hatte.
Auch in Petersburg würde ich es für zweckmäßig gehalten
haben, auf der Straße die Andeutung eines höhern russischen
Ordens zu tragen, wenn die großen Entfernungen es nicht
mit sich gebracht hätten, daß man sich in den Straßen mehr
zu Wagen mit Tressenlivree als zu Fuße zeigte. Schon zu
Pferde, wenn in Civil und ohne Reitknecht, lief man Gefahr,
von den durch ihr Costüm kenntlichen Kutschern der höhern
1) S. o. S. 91.
2) Laufschritt.
:) Ach so, dort muß man einhanen.