Was den Diplomaten preußischer Herkunft fehlt. 5
daß das geschieht, und geben den Bodensatz ihrer Verstimmung
gegen frühere Vorgesetzte an ihre spätern Untergebenen weiter,
sobald sie selbst in höhere Stellen gelangt sind. In der Diplo-
matie kommt dazu, daß diejenigen unter den Aspiranten, welche
Vermögen oder die zufällige Kenntniß fremder Sprachen,
namentlich der französischen besitzen, schon darin einen Grund
zur Bevorzugung sehn und deshalb der obern Leitung noch
anspruchsvoller und zur Kritik geneigter gegenübertreten als
Andre. Sprachkenntnisse, wie auch Oberkellner sie besitzen,
bildeten bei uns leicht die Unterlage des eignen Glaubens an
den Beruf zur Diplomatie, namentlich so lange unfre gesand-
schastlichen Berichte, besonders die ad Regem, französisch sein
mußten, wie es die nicht immer befolgte, aber bis ich Minister
wurde amtlich in Kraft stehende Vorschrift war. Ich habe
manche unter unsern ältern Gesandten gekannt, die, ohne Ver-
ständniß für Politik, lediglich durch Sicherheit im Französischen
in die höchsten Stellen aufrückten; und auch sie sagten in ihren
Berichten doch nur das, was sie französisch geläufig zur Ver-
fügung hatten. Ich habe noch 1862 von Petersburg französisch
amtlich zu berichten gehabt, und die Gesandten, welche auch
ihre Privatbriefe an den Minister französisch schrieben, emp-
fahlen sich dadurch als besonders berufen zur Diplomatie, auch
wenn sie politisch als urtheilslos bekannt waren.
Außerdem kann ich Ancillon nicht Unrecht geben, wenn er
von den meisten Aspiranten aus unserm Landadel den Eindruck
hatte, daß sie sich aus dem engen Gesichtskreise ihrer damaligen
Berliner, man könnte sagen provinziellen Anschauungen schwer
loslösen ließen, und daß es ihnen nicht leicht gelingen würde,
den specifisch preußischen Bürokraten in der Diplomatie mit
dem Firniß des europäischen zu übertünchen. Die Wirkung
dieser Wahrnehmungen zeigt sich deutlich, wenn man die Rang-
liste unsrer Diplomaten aus damaliger Zeit durchgeht; man
wird erstaunt sein, so wenig geborne Preußen darin zu finden.