278 Elftes Kapitel: Zwischenzustand.
durch eine Schwenkung in unfrer „auswärtigen“ Haltung kann,
wie ich glaube, die Stellung der Krone im Innern von dem
Andrang degagirt werden, dem sie auf die Dauer sonst that-
sächlich nicht widerstehn wird, obschon ich an der Zulänglich-
keit der Mittel dazu nicht zweifle. Die Pression der Dämpfe
im Innern muf ziemlich hoch gespannt sein, sonst ist es garnicht
verständlich, wie das öffentliche Leben bei uns von Lappalien
wie Stieber, Schwark, Macdonald, Patzke, Twesten u. dergl.
so aufgeregt werden konnte, und im Ausland wird man nicht
begreifen, wie die Huldigungsfrage das Cabinet sprengen konnte.
Man sollte glauben, daß eine lange und schwere Mißregirung
das Volk gegen seine Obrigkeit so erbittert hätte, daß bei jedem
Luftzug die Flamme aufschlägt. Politische Unreife hat viel An-
theil an diesem Stolpern über Zwirnsfäden; aber seit vierzehn
Jahren haben wir der Nation Geschmack an Politik beigebracht,
ihr aber den Appetit nicht befriedigt, und sie sucht die Nahrung
in den Gossen. Wir sind fast so eitel wie die Franzosen; können
wir uns einreden, daß wir auswärts Ansehn haben, so lassen
wir uns im Hause viel gefallen; haben wir das Gefühl, daß
jeder kleine Würzburger ) uns hänselt und geringschätzt und
daß wir es dulden aus Angst, weil wir hoffen, daß die Reichs-
armee uns vor Frankreich schützen wird, so sehn wir innre
Schäden an allen Ecken, und jeder Preßbengel, der den Mund
gegen die Regirung aufreißt, hat Recht. Von den Fürsten-
häusern von Neapel bis Hanover wird uns keins unfre Liebe
danken, und wir üben an ihnen recht evangelische Feindesliebe,
auf Kosten der Sicherheit des eignen Thrones. Ich bin meinem
Fürsten treu bis in die Vendée, aber gegen alle andern fühle
ich in keinem Blutstropfen eine Spur von Verbindlichkeit, den
Finger für sie aufzuheben. In dieser Denkungsweise fürchte
1) Würzburger nannte man damals die deutschen Mittel= und Klein-
staaten von einer Zusammenkunft, die ihre Vertreter vom 24.—27. Nov.
1850 in Würzburg abgehalten hatten.