Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

Ausländer in der preußischen Diplomatie. Die preußische Justiz. 7 
  
Ancillon rieth mir, zunächst das Examen als Regirungs- 
Assessor zu machen und dann aus dem Umwege durch die Zoll- 
vereinsgeschäfte Eintritt in die deutsche Diplomatie Preußens 
zu suchen; einen Beruf für die europäische erwartete er also 
bei einem Sprößlinge des einheimischen Landadels nicht. Ich 
nahm mir seine Andeutung zu Herzen und beabsichtigte, zu- 
nächst das Examen als Regirungs-Assessor zu machen. 
Die Personen und Einrichtungen unfrer Justiz, in der ich 
zunächst beschäftigt war, gaben meiner jugendlichen Auffassung 
mehr Stoff zur Kritik als zur Anerkennung. Die praktische 
Ausbildung des Auscultators begann damit, daß man aufs dem 
Criminalgericht das Protokoll zu führen hatte, wozu ich von 
dem Rathe, dem ich zugewiesen war, Herrn von Brauchitsch, 
über die Gebühr herangezogen wurde, weil ich damals über 
den Durchschnitt schnell und lesbar schrieb. Von den „Unter- 
suchungen“, wie die Criminalprozesse bei dem damals geltenden 
Inquisitionsverfahren genannt wurden, hat mir eine den nach- 
haltigsten Eindruck hinterlassen, welche eine in Berlin weit 
verzweigte Verbindung zum Zweck der unnatürlichen Laster 
betraf. Die Klubeinrichtungen der Betheiligten, die Stamm- 
bücher, die gleichmachende Wirkung des gemeinschaftlichen Be- 
treibens des Verbotnen durch alle Stände hindurch — alles 
das bewies schon 1835 eine Demoralisation, welche hinter den 
Ergebnissen des Prozesses gegen die Heinzeschen Eheleute 
(October 1891) nicht zurückstand. Die Verzweigungen dieser 
Gesellschaft reichten bis in hohe Kreise hinauf. Es wurde dem 
Einflusse des Fürsten Wittgenstein zugeschrieben, daß die Akten 
von dem Justizministerium eingefordert und, wenigstens wäh- 
rend meiner Thätigkeit an dem Criminalgerichte, nicht zurück- 
gegeben wurden. 
Nachdem ich vier Monate protokollirt hatte, wurde ich zu 
dem Stadtgerichte, vor das die Civilsachen gehörten, versetzt 
und aus der mechanischen Beschäftigung des Schreibens unter
	        
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