Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

294 Elftes Kapitel: Zwischenzustand. 
gesellschaftlichen Beziehungen zu Metternich nicht bis zum Bruch 
des mir gewährten Vertrauns ausnutzen werde. Unvorsichtig 
war diese Eröffnung an den Preußischen Gesandten jedenfalls, 
mochte sie wahr oder übertrieben sein. Ich war schon in Frank- 
furt zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Wiener Politik unter 
Umständen vor keiner Combination zurückschrecke; daß ½) sie 
Venetien oder das linke Rheinufer opfern würde, wenn damit 
auf dem rechten eine Bundesverfassung mit gesichertem Ueber- 
gewicht Oestreichs über Preußen zu erkaufen sei, daß die deutsche 
Phrase in der Hofburg ihren Kurs habe, so lange man sie als 
Leitseil für uns oder die Würzburger ?) gebrauchte. Wenn eine 
französisch-östreichische Coalition nicht schon jetzt gegen uns be- 
stände, so hätten wir das nicht Oestreich, sondern Frankreich 
zu danken, und nicht einer etwaigen Vorliebe Napoleon's für 
uns, sondern seinem Mißtraun, ob Oestreich im Stande sein 
werde, mit dem zur Zeit mächtigen Winde der Nationalität zu 
segeln. Aus alledem zog ich in dem Berichte, den ich dem Könige 
erstattete, nicht die Consequenz, daß wir irgend ein Bündniß 
mit Frankreich zu suchen hätten, wohl aber die, daß wir auf 
treue Bundesgenossenschaft Oestreichs gegen Frankreich nicht 
zählen dürften und nicht hoffen könnten, die freie Zustimmung 
Oestreichs zur Verbesserung unfrer Stellung in Deutschland 
zu erlangen. 
In Ermanglung jeder Art politischer Aufträge und Geschäfte 
ging ich auf kurze Zeit nach England und trat am 25. Juli 
eine längre Reise durch das südliche Frankreich an. In diese 
Zeit fällt die nachstehende Correspondenz. 
1) Das Folgende kann aus sachlichen Erwägungen grammatisch nicht 
von den Worten „Ich war schon in Frankfurt zu der Ueberzeugung 
gelangt“ abhängig sein, da es sich auf die Situation von 1862 be- 
zieht. Vor „daß“ ist etwas zu ergänzen: „ich mußte auch jetzt (1862) 
annehmen“. 
2) S. o. S. 273 Anm. 1.
	        
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