Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

Brief Bismarck's an Roon über den Zeitpunkt seines Eintritts. 297 
  
begangen hat und noch weiter begehn wird, sich in alberne 
Kleinigkeiten zu verbeißen, und da sie keinen Redner hat, der 
nicht die Langeweile des Publikums vermehrte. Kann man sie 
dahin bringen, daß sie sich in solche Lappalie wie die Continuität 
des Herrnhauses verbeißt und darüber Krieg anfängt und die 
Erledigung der eigentlichen Geschäfte verschleppt, so ist es ein 
großes Glück. Sie wird müde werden, hoffen, daß der Regirung 
der Athem ausgeht, und die Kreisrichter müssen mit den Kosten 
ihrer Stellvertretung geängstigt werden. Wenn sie mürbe wird, 
fühlt, daß sie das Land langweilt, dringend auf Concessionen 
Seitens der Regirung hofft, um aus der schiefen Stellung erlöst 
zu werden, dann ist m. E. der Moment gekommen, ihr durch 
meine Ernennung zu zeigen, daß man weit entfernt ist, den 
Kampf aufzugeben, sondern ihn mit frischen Kräften aufnimmt. 
Das Zeigen eines neuen Bataillons in der ministeriellen 
Schlachtordnung macht dann vielleicht einen Eindruck, der jetzt 
nicht erreicht würde; besonders wenn vorher etwas mit Redens- 
arten von Octroyiren und Staatsstreicheln gerasselt ist, so hilft 
mir meine alte Reputation von leichtfertiger Gewaltthätigkeit, 
und man denkt „nanu geht's los. Dann sind alle Centralen 
und Halben zum Unterhandeln geneigt. 
Das Alles beruht mehr auf instinctivem Gefühl, als daß 
ich beweisen könnte, es sei so; und ich gehe nicht so weit, zu 
irgend etwas, das mir der König befiehlt, deshalb auf eigne 
Faust nein zu sagen. Wenn ich aber um meine Ansicht gefragt 
werde, so bin ich dafür, noch einige Monate hinter dem Busch 
gehalten zu werden. 
Vielleicht ist dieß Alles Rechnung ohne den Wirth, vielleicht 
entschließt sich Se. Majestät niemals dazu, mich zu ernennen, 
denn ich sehe nicht ein, warum es überhaupt geschehn sollte, 
nachdem es seit 6 Wochen nicht geschehn ist. Daß ich aber hier 
den heißen Staub von Paris schlucken, in cafés und Theatern 
gähnen oder mich in Berlin wieder als politischer Dilettant
	        
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