10 Erstes Kapitel: Bis zum Ersten Vereinigten Landtage.
gewann, wo man ihn im Ganzen aber doch mehr als Hülfs-
arbeiter ausnutzte, als mit Belehrung förderte. Das Local
und die Procedur hatten etwas von dem unruhigen Verkehre
an einem Eisenbahnschalter. Der Raum, wo der leitende Rath
und die drei oder vier Auscultatoren mit dem Rücken gegen
das Publikum saßen, war von hölzernen Gittern umgeben,
und die dadurch gebildete viereckige Bucht war von der wech-
selnden und mehr oder weniger lärmenden Menge der Parteien
rings umfluthet.
Mein Eindruck von Institutionen und Personen wurde nicht
wesentlich modificirt, nachdem ich zur Verwaltung übergegangen
war. Um den Umweg zur Diplomatie abzukürzen, wandte ich
mich einer rheinischen Regirung, der Aachner zu, deren Cursus
sich in zwei Jahren abmachen ließ, während bei den altländi-
schen wenigstens drei erforderlich waren 7.
Ich kann mir denken, daß bei Besetzung der rheinischen
Regirungscollegien 1816 ähnlich verfahren worden war wie
1871 bei der Organisation von Elsaß-Lothringen. Die Be-
hörden, welche einen Theil ihres Personals abzugeben hatten,
werden nicht auf das staatliche Bedürfniß gehört haben, für
die schwierige Aufgabe der Assimilirung einer neu erworbenen
Bevölkerung den besten Fuß vorzusetzen, sondern diejenigen
Mitglieder gewählt haben, deren Abgang von ihren Vorge-
setzten oder von ihnen selbst gewünscht wurde; in den Collegien
fanden sich frühere Präfektur-Sekretäre und andre Reste der
französischen Verwaltung. Die Persönlichkeiten entsprachen
nicht alle dem unberechtigten Ideale, das mir in dem Alter
von 21 Jahren vorschwebte, und noch weniger that dies der
Inhalt der laufenden Geschäfte. Ich erinnre mich, daß ich bei
1) Vgl. die Akten des Aachner Aufenthalts in Bismarck-Jahrbuch III,
die Probearbeiten zum Referendariats-Examen in Bismarck-Jahrbuch II,
herausg. von Horst Kohl. (Stuttgart, J. G. Cotta'sche Buchhandlung
Nachfolger.)