326 Zuwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik.
der lebte und starb in einer schwächlichen Gemüthsverfassung
und macht kein gutes Bild in der Geschichte. Karl I. #) da-
gegen, wird er nicht immer eine vornehme historische Erschei-
nung bleiben, wie er, nachdem er für sein Recht das Schwert
gezogen, die Schlacht verloren hatte, ungebeugt seine königliche
Gesinnung mit seinem Blute bekräftigte? Eure Maojestät sind
in der Nothwendigkeit zu fechten, Sie können nicht capituliren,
Sie müssen, und wenn es mit körperlicher Gefahr wäre, der
Vergewaltigung entgegentreten.“
Je länger ich in diesem Sinne sprach, desto mehr belebte
sich der König und fühlte sich in die Rolle des für Königthum
und Vaterland kämpfenden Offiziers hinein. Er war äußern
und persönlichen Gefahren gegenüber von einer seltnen und
ihm absolut natürlichen Furchtlosigkeit, auf dem Schlachtfelde
wie Attentaten gegenüber; seine Haltung in jeder äußern Ge-
fahr hatte etwas Herzerhebendes und Begeisterndes. Der
ideale Typus des preußischen Offiziers, der dem sichern Tode
im Dienste mit dem einfachen Worte „Zu Befehl“ selbstlos
und furchtlos entgegengeht, der aber, wenn er auf eigne Ver-
antwortung handeln soll, die Kritik des Vorgesetzten oder der
Welt mehr als den Tod und dergestalt fürchtet, daß die Energie
nund Richtigkeit seiner Entschließung durch die Furcht vor Ver-
weis und Tadel beeinträchtigt wird, dieser Typus war in ihm
* im höchsten Grade ausgebildet. Er hatte sich bis dahin auf
seiner Fahrt nur gefragt, ob er vor der überlegnen Kritik
seiner Frau Gemalin und vor der öffentlichen Meinung in
Preußen mit dem Wege, den er mit mir einschlug, würde
bestehn können. Dem gegenüber war die Wirkung unfrer
Unterredung in dem dunklen Coupé, daß er die ihm nach der
Situation zufallende Rolle mehr vom Standpunkte des Offiziers
auffaßte. Er fühlte sich bei dem Porte-épée gefaßt und in der
1) Hingerichtet am 30. Januar 1619.