Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

342 Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Ministerium. 
  
legenheiten der Stadt Berlin schwebten Verhandlungen, in denen 
er das ressortmäßige Mittelglied zwischen der Regirung und den 
Gemeindebehörden war. Die Dringlichkeit der Sache brachte 
es mit sich, daß das Staatsministerium den Oberbürgermeister# 
ersuchte, sich nach Potsdam zu begeben und über einen ent- 
scheidenden Punkt die Anträge des Oberpräsidenten mündlich ein- 
zuholen und darüber in einer zu dem Zweck angesagten Abendsitz- 
ung des Ministeriums zu berichten. Der Oberbürgermeister hatte 
eine zweistündige Audienz; aber zur Berichterstattung darüber 
in der Sitzung erscheinend, erklärte er, eine solche nicht machen 
zu können, weil er während der zwei Stunden, die zwischen den 
beiden Zügen lagen, dem Herrn Oberpräsidenten gegenüber 
nicht zu Worte gekommen sei. Er habe es wiederholt und bis 
zur Unhöflichkeit versucht, seine Frage zu stellen, sei aber von 
dem Vorgesetzten stets und mit steigender Energie mit den 
Worten zur Ruhe verwiesen worden: „Erlauben Sie, ich bin 
noch nicht fertig, bitte mich ausreden zu lassen.“ Dieser Bericht 
des Oberbürgermeisters erzeugte einen geschäftlichen Verdruß, 
rief aber doch in der Erinnrung an eigne frühere Erlebnisse 
einige Heiterkeit hervor. 
Mein landwirthschaftlicher College von Selchow entsprach 
in seiner Begabung nicht dem Rufe, der ihm in der Provinzial- 
verwaltung vorhergegangen war. Der König hatte ihm das zur 
Zeit wichtigste Ministerium des Innern zugedacht. Nach einer 
längern Unterredung, in der ich die Bekanntschaft des Herrn 
von Selchow machte, bat ich Se. Majestät, davon abzustehn, 
weil ich ihn der Aufgabe nicht für gewachsen hielt, und schlug 
statt seiner den Grafen Friedrich Eulenburg vor. Beide Herrn 
standen mit dem Könige in maurerischen Beziehungen und 
wurden bei den Schwierigkeiten, die die Vervollständigung des 
Ministeriums hatte, erst im December zum Eintritt bewogen. 
1) Seydel.
	        
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