346 Vierzehntes Kapitel: Conflicts-Ministerium.
genug war, um seiner persönlichen Ueberzeugung folgen zu
können, während Bodelschwingh den Geschäftsgang des Finanz-
ministeriums ohne den willigen Beistand seiner sachkundigen
Räthe nicht beherrschen konnte, diese Räthe aber in ihrer poli-
tischen Auffassung weiter links standen als ihr Chef und das
ganze Ministerium.
2.
Die staatsrechtliche Frage, um welche es sich in dem Con-
flicte handelte, und die Auffassung derselben, welche das Mini-
sterium gewonnen und der König gutgeheißen hatte, ist in einem
Schreiben Sr. Majestät an den Oberstlieutenant Freiherrn
von Vincke auf Olbendorf bei Grottkau dargelegt, welches seiner
Zeit in der Presse erwähnt, aber, so viel ich mich erinnre, nicht
vollständig veröffentlicht worden ist ), was dasselbe um so mehr
verdient, als sich daraus die Haltung des Königs in der Frage
der Indemnität erklärt ?.
Herr von Vincke hatte ein Glückwunschschreiben zu Neujahr
1863 mit solgenden Sätzen geschlossen: „Das Volk hängt treu
an Ew. M., aber es hält auch fest an dem Recht, welches ihm
der Artikel 99 der Verfassung 2) unzweideutig gewährt. Möge
Gott die unglücklichen Folgen eines großen Mißverständnisses
in Gnaden abwenden.“
Der König antwortete am 2. Januar 1863:
„Für Ihre freundlichen Glückwünsche beim Jahreswechsel
danke ich Ihnen bestens. Daß der Blick in das neue Jahr
1) Es findet sich veröffentlicht bei L. Schneider, Aus dem Leben
Wilhelm's I. Berlin, O. Janke. Bd. I S. 194·197; jetzt auch bei
Berner, Kaiser Wilhelm's des Großen Briefe, Reden und Schriften,
Bd. II, 43 und bei E. Brandenburg, Briefe Kaiser Wilhelm's 1.
(Leipzig 1911) S. 162 ff.
„) S. Bd. II, S. 77 fl.
*) Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen für jedes
Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaushaltdetat gebracht
werden. Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt.