14 Erstes Kapitel: Bis zum Ersten Vereinigten Landtage.
„Selbstverwaltung“. Die „Selbstverwaltung“ ist also Ver-
schärfung der Bürokratie, Vermehrung der Beamten, ihrer
Macht und ihrer Einmischung in's Privatleben.
Es liegt in der menschlichen Natur, daß man. von jeder
Einrichtung die Dornen stärker empfindet als die Rosen und
daß die erstern gegen das zur Zeit Bestehende verstimmen.
Die alten Regirungsbeamten zeigten sich, wenn sie mit der
regirten Bevölkerung in unmittelbare Berührung traten, pedan-
tisch und durch ihre Beschäftigung am grünen Tische den Ver-
hältnissen des praktischen Lebens entfremdet, hinterließen aber
den Eindruck, daß sie ehrlich und gewissenhaft bemüht waren,
gerecht zu sein. Dasselbe läßt sich von den Organen der heu-
tigen Selbstverwaltung in Landstrichen, wo die Parteien ein-
ander schärfer gegenüberstehn, nicht in allen Stufen voraus-
setzen; das Wohlwollen für politische Freunde, die Stimmung
bezüglich des Gegners werden leicht ein Hinderniß unpartelüscher
Handhabung der Einrichtungen. Nach meinen Erfahrungen
aus jener und der spätern Zeit möchte ich übrigens den Vorzug
der Unparteilichkeit im Vergleiche zwischen richterlichen und
administrativen Entscheidungen nicht den erstern allein ein-
räumen, wenigstens nicht durchgängig. Ich habe im Gegen-
theil den Eindruck behalten, daß Richter an den kleinen und
localen Gerichten den starken Parteiströmungen leichter und
hingebender unterliegen als Verwaltungsbeamte; und es ist
auch kein psychologischer Grund dafür erfindlich, daß bei gleicher
Bildung die letztern a priori für weniger gerecht und gewissen-
haft in ihren amtlichen Entscheidungen gehalten werden sollten
als die erstern. Wohl aber nehme ich an, daß die amtlichen
Entschließungen an Ehrlichkeit und Angemessenheit dadurch
nicht gewinnen, daß sie collegialisch gefaßt werden; abgesehn
davon, daß Arithmetik und Zufall bei dem Majoritäts-
votum an die Stelle logischer Begründung treten, geht das
Gefühl persönlicher Verantwortlichkeit, in welcher die wesentliche