386 Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürstentag.
Verhütung des innern Zwiespalts, hätte entwickeln können.
Der Glaube an die militärische Ueberlegenheit Oestreichs war
in Wien und an den mittelstaatlichen Höfen zu stark für einen
modus vivendi auf dem Fuße der Gleichheit mit Preußen. Der
Beweis für Wien lag in den Proclamationen, die in den Tor-
nistern der östreichischen Soldaten neben den neuen, zum Ein-
zuge in Berlin bestimmten Uniformen gefunden wurden und
deren Inhalt die Sicherheit verrieth, mit der man auf siegreiche
Occupation der preußischen Provinzen gerechnet hatte. Auch
die Ablehnung der letzten durch den Bruder des Generals
von Gablenz gemachten preußischen Friedensanerbietungen und
deren finanziell-ministerielle Begründung durch das Bedürfniß
einer preußischen Contribution ), die damals bekundete Bereit-
willigkeit, nach der ersten Schlacht zu verhandeln , kennzeichnet
die Sicherheit, mit der man auf den Sieg in letztrer zählte.
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Das Gesammtergebniß dieser in gleicher Richtung wirkenden
Vorstellungen war denn auch das Gegentheil von einem Ent-
gegenkommen des Wiener Cabinets für dualistische Neigungen;
Oestreich ging über die preußische Anregung von 1862 zur
Tagesordnung über mit der diametral entgegengesetzten Ini-
1) Vgl. über diese Verhandlungen v. Sybel, Die Begründung des
Deutschen Reichs Bd. IV 375 f., v. Friesen, Erinnerungen B0. II
159 ff. Graf Larisch, der östreichische Finanzminister, soll geäußert haben,
daß binnen 3 Monaten Oestreich einer preußischen Kriegscontribution
von 500 Millionen oder eines anständigen Bankrotts auf Grund des
Krieges bedürfe; doch hat Graf Belcredi, von dem Sybel behauptet, daß
er sich in gleichem Sinne dem Freiherrn v. Gablenz gegenüber geäußert
habe, erklären lassen, daß die von Sybel gebrachte Erzählung erfunden
und seines Wissens auch Graf Larisch mit dem Freiherrn v. Gablenz
nicht in Verkehr getreten sei; vgl. Friedjung, Der Kampf um die Vor-
herrschaft in Deutschland Bd. I (8. Aufl.) S. 311 f., II 579. — Zur Sache
vgl. auch die Note Bismarck's vom 4. Juni 1866 (Staatsarchio X1 72
Nr. 2300).
2) Diesen Vorschlag machte Minister (ohne Portefeuille) Graf Esterhazy.