Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

Unentschlossenheit d. Königs. Oestreichs Verlangen nach Zolleinigung. 397 
  
handlungen in bestimmter Frist eingehn wollten. Ich hatte 
gegen ein solches pactum de contrahendo 0 keine Bedenken, weil 
ich überzeugt war, daß es mir keine über die Grenzen des mir 
möglich Scheinenden hinaus gehenden Zugeständnisse würde ab- 
dingen können, und weil die politische Seite der Frage im 
Vordergrunde stand. Die Zolleinigung hielt ich für eine un- 
ausführbare Utopie wegen der Verschiedenheit der wirthschaft- 
lichen und administrativen Zustände beider Theile 2). Die Gegen- 
stände, die im Norden des Zollvereins die finanzielle Unterlage 
bildeten, gelangen in dem größern Theile des östreichisch-unga- 
rischen Gebietes garnicht zum Verbrauch. Die Schwierigkeiten, 
welche die Verschiedenheiten der Lebensgewohnheiten und der 
Consumtion zwischen Nord= und Süddeutschland schon innerhalb 
des Zollvereins bedingten, mußten unüberwindlich werden, wenn 
beide Regionen mit den östlichen Ländern Oestreich-Ungarns 
von derselben Zollgrenze umschlossen werden sollten. Ein ge- 
rechter, der bestehenden Consumtion zollpflichtiger Waaren ent- 
sprechender Maßstab der Vertheilung würde sich nicht vereinbaren 
lassen; jeder Maßstab würde entweder ungerecht für den Zoll- 
verein oder unannehmbar für die öffentliche Meinung in Oestreich- 
Ungarn sein. Der bedürfnißlose Slowake und Galizier einer- 
seits, der Rheinländer und der Niedersachse andrerseits sind für 
die Besteuerung nicht commensurabel. Außerdem fehlte mir 
der Glaube an die Zuverlässigkeit des Dienstes auf einem großen 
Theile der östreichischen Grenzen. 
Von der Unmöglichkeit der Zolleinigung überzeugt, hatte 
ich kein Bedenken, dem Grafen Rechberg den gewünschten Dienst 
zu erweisen, um ihn im Amte zu erhalten. Ich glaubte bei 
meiner Abreise nach Biarritz (5. October) sicher zu sein, daß 
der König an meinem Votum festhalten werde; und mir sind 
noch heut die Motive nicht klar, welche meine Collegen, den 
1) Vertrag über eine zukünftige Verhandlung. 
2) S. o. S. 98.
	        
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