Kronprinz und König Ludwig. 403
überschritten, ich hatte jedoch das Gefühl, daß die Umgebung
ihn langweilte und er den von ihr unabhängigen Richtungen
seiner Phantasie durch den Champagner zu Hülfe kam. Der
Eindruck, den er mir machte, war ein sympathischer, obschon
ich mir mit einiger Verdrießlichkeit sagen mußte, daß mein
Bestreben, ihn als Tischnachbar angenehm zu unterhalten, un-
fruchtbar blieb. Es war dies das einzige Mal, daß ich den
König Ludwig von Angesicht gesehn habe, ich bin aber mit
ihm, seit er bald nachher (10. März 1864) den Thron bestiegen
hatte, bis an sein Lebensende in günstigen Beziehungen und
in verhältnißmäßig regem brieflichen Verkehre geblieben und
habe dabei jederzeit von ihm den Eindruck eines geschäftlich
klaren Regenten von national deutscher Gesinnung gehabt,
wenn auch mit vorwiegender Sorge für die Erhaltung des
föderativen Prinzips der Reichsverfassung und der verfassungs-
mäßigen Privilegien seines Landes. Als außerhalb des Gebiets
politischer Möglichkeit liegend ist mir sein in den Versailler
Verhandlungen auftauchender Gedanke erinnerlich, daß das
deutsche Kaiserthum resp. Bundes-Präsidium zwischen dem
preußischen und dem bairischen Hause erblich alterniren solle.
Die Zweifel darüber, wie dieser unpraktische Gedanke praktisch
zu machen, wurden überholt durch die Verhandlungen mit den
bairischen Vertretern in Versailles und deren Ergebnisse, wo-
nach dem Präsidium des Bundes, also dem Könige von Preußen,
die Rechte, die er heut dem bairischen Bundesgenossen gegen-
über ausübt, schon in der Hauptsache bewilligt waren, ehe es
sich um den Kaisertitel handelte.
Aus meinem Briefwechsel mit dem Könige Ludwig schalte
ich einige Stücke ein, die zur richtigen Charakteristik dieses
unglücklichen Fürsten beitragen und auch wieder einmal ein
actuelles Interesse gewinnen können. Die Curialien sind nur
in den ersten Briefen gegeben.