Bismarcks Verfassungsideal. Abneigung gegen die Bürokratie. 19
richtigste Regirungsform für deutsche Unterthanen sei, verliert
auch der, welcher sie hat, durch Specialstudien in den Hof-
geschichten und durch kritische Beobachtungen, wie ich sie am
Hofe des von mir persönlich geliebten und verehrten Königs
Friedrich Wilhelm's IV. zur Zeit Manteuffel's anstellen konnte.
Der König war gläubiger, gottberufner Absolutist, und die
Minister nach Brandenburg (waren) in der Regel zufrieden, wenn
sie durch Königliche Unterschrift gedeckt waren, auch wenn sie
persönlich den Inhalt des Unterschriebenen nicht hätten verant-
worten mögen. Ich erlebte damals, daß ein hoher und absolu-
tistisch gesinnter Hofbeamter in meiner und mehrer seiner
Collegen Gegenwart auf die Nachricht von dem Neuchsteler
Aufstand der Royalisten ) in einer gewissen Verblüffung sagte:
„Das ist ein Royalismus, den man heut zu Tage doch nur
noch sehr fern vom Hofe erlebt.“ Sarkasmen lagen sonst nicht
in der Gewohnheit dieses alten Herrn.
Wahrnehmungen, welche ich auf dem Lande über Bestech-
lichkeit und Chicane von Bezirksfeldwebeln und subalternen
Beamten machte, und kleine Conflicte, in welche ich als Kreis-
deputirter und Stellvertreter des Landraths mit der Regirung
in Stettin gerieth, steigerten meine Abneigung gegen die Herr-
schaft der Bürokratie. Von diesen Conflicten mag der eine
erwähnt sein. Während ich den beurlaubten Landrath vertrat,
erhielt ich von der Regirung den Auftrag, den Patron von
Külz, der ich selbst war, zur Uebernahme gewisser Lasten zu
bewegen. Ich ließ den Auftrag liegen, um ihn dem Landrathe
bei seiner Rückkehr zu übergeben, wurde wiederholt excitirt,
und eine Ordnungsstrafe von einem Thaler wurde mir durch
Postvorschuß auferlegt. Ich setzte nun ein Protokoll auf, in
welchem ich erstens als stellvertretender Landrath, zweitens als
Patron von Külz als erschienen aufgeführt war. Comparent
1) In der Nacht vom 2. zum 3. September 1856 unter Führung des
Grafen Friedrich v. Pourtales.