Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

Wer ist schuld am Abmarsch der Truppen? Lichnowsti. — Adreßdebatte. 35 
  
momentan nicht zu finden war, weil er aus natürlichen Gründen 
sich zurückgezogen hatte. Als er wieder zum Vorschein kam 
und gefragt wurde: „Haben Ew. Majestät befohlen, daß die 
Truppen abmarschiren?“ erwiderte der König: „Nein.“ — 
„Sie sind aber schon auf dem Abmarsch,“ sagte der Adjutant 
und führte den König an ein Fenster. Der Schloßplatz war 
schwarz von Civilisten, hinter denen noch die letzten Bajonette 
der abziehenden Soldaten zu sehn waren. „Das habe ich nicht 
befohlen, das kann nicht sein,“ rief der König aus und hatte 
den Ausdruck der Bestürzung und Entrüstung ½. 
Ueber den Fürsten Lichnowski wurde mir erzählt, daß er 
abwechselnd oben im Schlosse einschüchternde Nachrichten über 
Schwäche der Truppen, Mangel an Lebensmitteln und Muni- 
tion verbreitet und unten auf dem Platze den Aufständischen 
deutsch und polnisch zugeredet habe auszuhalten, oben habe 
man den Muth verloren. 
2 
In der kurzen Session des Zweiten Vereinigten Landtags 
sagte ich am 2. April?: 
„Ich bin einer der wenigen, welche gegen die Adresse stimmen 
werden, und ich habe um das Wort nur deshalb gebeten, um 
diese Abstimmung zu motiviren und Ihnen zu erklären, daß 
ich die Adresse, insoweit sie ein Programm der Zukunft ist, 
ohne Weitres acceptire, aber aus dem alleinigen Grunde, weil 
ich mir nicht anders helfen kann. — Nicht freiwillig, sondern 
durch den Drang der Umstände getrieben, thue ich es; denn 
ich habe meine Ansicht seit den sechs Monaten nicht gewechselt; 
ich glaube, daß dies Ministerium das einzige ist, welches uns 
aus der gegenwärtigen Lage einem geordneten und gesetz- 
1) Diese Angaben werden durch den Brief des Prinzen Wilhelm 
voll bestätigt. 
2) Politische Reden Bd. I S. 45 f.; vgl. XIV 8 fl.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.