Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

46 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. 
  
grüßte in einer Art, als ob ihm eine offne Bekundung seiner 
Gesinnung bei Licht nicht gestattet wäre y. 
3. 
Die Frage der deutschen Einheit war in den letzten beiden 
Jahrzehnten unter Friedrich Wilhelm III. nur in Gestalt der 
burschenschaftlichen Strebungen und deren strafrechtlicher Re- 
pression in die äußre Erscheinung getreten. Friedrich Wil- 
helm's IV. deutsches oder, wie er schrieb, „teutsches“ National= 
gefühl war gemüthlich lebhafter wie das seines Vaters, aber 
durch mittelalterliche Verbrämung und durch Abneigung gegen 
klare und feste Entschlüsse in der praktischen Bethätigung ge- 
hemmt. Daher versäumte er die Gelegenheit, die im März 1848 
günstig war; und es sollte das nicht die einzige versäumte 
bleiben. In den Tagen zwischen den süddeutschen Revolutionen, 
einschließlich der Wiener 2), und dem 18. März, so lange es vor 
Augen lag, daß von allen deutschen Staaten, Oestreich inbe- 
griffen, Preußen der einzige feststehende geblieben war, waren 
die deutschen Fürsten bereit, nach Berlin zu kommen und 
Schutz zu suchen unter Bedingungen, die in unitarischer Rich- 
tung über das hinausgingen, was heut verwirklicht ist; auch 
das bairische Selbstbewußtsein war erschüttert. Wenn es zu 
dem, nach einer Erklärung der preußischen und der östreichischen 
Regirung vom 10. März auf den 20. März nach Dresden 
berufnen Fürstencongreß gekommen wäre, so wäre nach der 
1) Vgl. Bismarcks Brief an die Gattin vom 12. September 1849 
(Briefe an Braut und Gattin S. 153): „Vor der Parade gestern ritt ich 
mit dem Sohn des Prinzen von Preußen herein; es war komisch, wie 
der junge Herr im Kampf war zwischen dem Wunsch, mir seine Zu- 
friedenheit auszudrücken, und der Furcht vor seinem daneben reitenden 
Mentor, dem etwas schwarzrothgoldnen Oberst Fischer.“ 
2) Die Wiener Revolution kam am 13. März 1848 zum Ausbruche; 
am gleichen Tage begannen die Unruhen in Berlin, die Vorläufer der 
Revolution des 18. März.
	        
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