Umzug. Schwäche Friedr. Wilhelms IV. Besuch in Sanssouct. 49
starke fürstliche Selbstgefühl im Inlande das Bewußtsein geübt
haben würde, den Aufruhr definitiv niedergeschlagen zu haben,
der allein ihm gegenüber (nicht) ) siegreich blieb im außerrufsi-
schen Continent. Eine auf dem Straßenpflaster erkämpfte Er-
rungenschaft wäre von andrer Art und von mindrer Tragweite
gewesen als die später auf dem Schlachtfeld gewonnene. Es ist
vielleicht für unfre Zukunft besser gewesen, daß wir die Irr-
wege in der Wüste innrer Kämpfe von 1848 bis 1866 wie die
Juden, bevor sie das gelobte Land erreichten, noch haben durch-
machen müssen. Die Kriege von 1866 und 1870 wären uns
doch schwerlich erspart worden, nachdem unfre 1848 zusammen-
gebrochnen Nachbarn in Anlehnung an Paris, Wien und anders-
wo sich wieder ermuthigt und gekräftigt haben würden. Es
ist fraglich, ob auf dem kürzern und raschern Wege des März-
sieges von 1848 die Wirkung der geschichtlichen Ereignisse auf
die Deutschen dieselbe gewesen sein würde, wie die heut vor-
handne, die den Eindruck macht, daß die Dynastien, und grade
die früher hervorragend particularistischen, reichsfreundlicher
find als die Fractionen und Parteien.
Mein erster Besuch in Sanssouci kam unter ungünstigen
Aspecten zu Stande. In den ersten Tagen des Juni, wenige
Tage vor dem Abgange des Ministerpräsidenten Ludolf Camp-
hausen), befand ich mich in Potsdam, als ein Leibjäger mich
in dem Gasthofe aufsuchte, um mir zu melden, daß der König
mich zu sprechen wünsche. Ich sagte unter dem Eindruck meiner
frondirenden Gemüthsstimmung, daß ich bedauerte, dem Be-
sehle Sr. Majestät nicht Folge leisten zu können, da ich im
Begriffe sei, nach Hause zu reisen, und meine Frau, deren Ge-
1) Der Sinn verlangt die Negation; in Wahrheit war König Friedrich
Wilhelm im Kampfe gegen die Revolution siegreich geblieben, wenn auch
durch den von ihm nicht befohlenen Abzug der Truppen der Erfolg des
Sieges verkümmert wurde.
2) Ludolf Camphausen ging am 20. Juni 1848 ab.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 1