56 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.
sie nach einem andern Orte zu verlegen, um ihre Mitglieder
dem Drucke der Einschüchterung zu entziehn, eventuell sie auf-
zulösen. Damit steigerte sich die Schwierigkeit, ein Ministerium
zu Stande zu bringen, welches diese Maßregel durchzuführen
übernehmen würde. Schon seit der Eröffnung der Versamm-
lung war es dem Könige nicht leicht geworden, überhaupt
Minister zu finden, besonders aber solche, welche auf seine sich
nicht immer gleichbleibenden Ansichten gefügig eingingen und
deren furchtlose Festigkeit zugleich die Bürgschaft gewährte, daß
sie bei einer entscheidenden Wendung nicht versagen würden.
Es find mir aus dem Frühjahre mehre verfehlte Versuche er-
innerlich: Georg von Vincke antwortete auf meine Sondirung,
er sei ein Mann der rothen Erde, zu Kritik und Opposition
und nicht zu einer Ministerrolle veranlagt. Beckerath wollte
die Bildung eines Ministeriums nur übernehmen, wenn die
äußerste Rechte sich ihm unbedingt hingebe und ihm den König
sicher mache. Männer, welche in der Nationalversammlung
Einfluß hatten, wollten sich die Aussicht nicht verderben, künftig,
nach Herstellung geordneter Zustände, constitutionelle Majori-
tätsminister zu werden und zu bleiben. Ich begegnete unter
anderm bei Harkort, der als Handelsminister in das Auge
gefaßt war, der Meinung, daß die Herstellung der Ordnung
durch ein Fachministerium von Beamten und Militärs bewirkt
werden müsse, ehe verfassungstreue Minister die Geschäfte über-
nehmen könnten; später sei man bereit.
Die Abneigung, Minister zu werden, wurde verstärkt durch
die Vorstellung, daß persönliche Gefahr damit verbunden sein
könne, wie das Vorkommen körperlicher Mißhandlung conser-
vativer Abgeordneter auf der Straße schon gezeigt habe. Nach
den Gewöhnungen, welche die Straßenbevölkerung angenommen
habe, und bei dem Einflusse, den Abgeordnete der äußersten
Linken auf sie besäßen, müsse man auf größre Ausschreitungen
gefaßt sein, wenn die Regirung dem demokratischen An-