Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

Siebentes Kapitel. 
Wandlungen. 
Welche Wandlungen in der Stimmung und den Absichten 
des Kaisers während der letzten Wochen vor meiner Entlassung 
Statt gefunden haben, darauf kann ich aus seinem Verhalten 
und aus mir später zugegangenen Mittheilungen nur mehr oder 
weniger sichere Schlüsse machen. Nur über die psoychologischen 
Vorgänge in mir selbst vermag ich an der Hand gleichzeitig 
von Tage zu Tage gemachter Notizen mir im Rückblick Rechen- 
schaft zu geben. Beides hat natürlich in Wechselwirkung ge- 
standen, aber die beiderseitigen in der Zeit parallelen Vorgänge 
synoptisch darzustellen ist nicht thunlich. In meinem Alter hing 
ich nicht an meinem Posten, nur an meiner Pflicht. Die nach und 
nach hervortretenden Anzeichen, daß der Kaiser — man ließ 
Se. Majestät glauben (Boctticher, Berlepsch), ich stände seiner 
Popularität bei den Arbeitern im Weg — mehr Vertrauen zu 
Boetticher, Verdy, zu meinen Räthen, zu Berlepsch und andern 
unberusenen Rathgebern hatte als zu mir, haben mich zu wieder- 
holter Erwägung veranlaßt, ob und wie mein volles oder 
theilweises Ausscheiden ohne Schädigung der staatlichen Inter- 
essen rathsam sei. Ich habe ohne Verstimmung in mancher 
schlaflosen Nacht die Frage erwogen, ob ich mich den Schwierig- 
keiten entziehen solle und dürfe, die ich als bevorstehend ansah. 
ch kam stets zu dem Ergebniß, daß ich ein Gefühl von 
Pflichtwidrigkeit im Gewissen behalten würde, wenn ich mich 
den Kämpfen, die ich voraussah, versagte. Ich fand die Nei- 
gung des Kaisers, den Ruhm seiner kommenden Regirungs- 
jahre nicht mit mir theilen zu wollen, psychologisch erklärlich
	        
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