Siebentes Kapitel.
Wandlungen.
Welche Wandlungen in der Stimmung und den Absichten
des Kaisers während der letzten Wochen vor meiner Entlassung
Statt gefunden haben, darauf kann ich aus seinem Verhalten
und aus mir später zugegangenen Mittheilungen nur mehr oder
weniger sichere Schlüsse machen. Nur über die psoychologischen
Vorgänge in mir selbst vermag ich an der Hand gleichzeitig
von Tage zu Tage gemachter Notizen mir im Rückblick Rechen-
schaft zu geben. Beides hat natürlich in Wechselwirkung ge-
standen, aber die beiderseitigen in der Zeit parallelen Vorgänge
synoptisch darzustellen ist nicht thunlich. In meinem Alter hing
ich nicht an meinem Posten, nur an meiner Pflicht. Die nach und
nach hervortretenden Anzeichen, daß der Kaiser — man ließ
Se. Majestät glauben (Boctticher, Berlepsch), ich stände seiner
Popularität bei den Arbeitern im Weg — mehr Vertrauen zu
Boetticher, Verdy, zu meinen Räthen, zu Berlepsch und andern
unberusenen Rathgebern hatte als zu mir, haben mich zu wieder-
holter Erwägung veranlaßt, ob und wie mein volles oder
theilweises Ausscheiden ohne Schädigung der staatlichen Inter-
essen rathsam sei. Ich habe ohne Verstimmung in mancher
schlaflosen Nacht die Frage erwogen, ob ich mich den Schwierig-
keiten entziehen solle und dürfe, die ich als bevorstehend ansah.
ch kam stets zu dem Ergebniß, daß ich ein Gefühl von
Pflichtwidrigkeit im Gewissen behalten würde, wenn ich mich
den Kämpfen, die ich voraussah, versagte. Ich fand die Nei-
gung des Kaisers, den Ruhm seiner kommenden Regirungs-
jahre nicht mit mir theilen zu wollen, psychologisch erklärlich