Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Elterliche Gewalt. 
dem Rechte der Vertretung in den ihre Person 
betreffenden Angelegenheiten. Das Vormund- 
schaftsgericht hat dabei teils den Vater zu 
unterstützen, teils das Kind zu schützen. Hin- 
sichtlich der religiösen Erziedung der 
Kinder verbleibt es bei den Landesgesetzen. 
Im Gebiete des ALR. und der Deklaration 
vom 20. Nov. 1803 sowie der Rheinland und 
Westfalen betreffenden KabO. vom 17. Aug. 
1825 (GS. 221) entscheidet, und zwar auch in 
gemischten Ehen, in erster Linie der überein- 
stimmende Wille der Eltern. Sind die Eltern 
nicht einig oder stirbt der Vater vor getroffener 
Entscheidung, so werden die Kinder ohne Unter- 
schied des Geschlechts in der Neligion des 
Vaters erzogen; abweichende Vereinbarungen 
sind aichtig. Eine in der letzten Krankheit 
von dem Vater etwa vorgenommene Reli- 
gionsänderung bleibt außer Betracht. Hat 
jedoch der Vater das Kind wenigstens das 
ganze letzte Jahr vor seinem Tode in dem 
Glaubensbehenntnisse der Mutter unterrichten 
lassen, so ist dieser Unterricht beizubehalten. 
Vach Zurüchlegung des 14. Lebensjahres kann 
aber jedes Kind sein Bekenntnis selbst wählen. 
Die Sorge des Vaters für das Vermögen 
des Kindes besteht in dem BRecht und der 
Pflicht, dieses Vermögen zu verwalten, soweit 
nicht von dem Zuwender desselben dem Vater 
die Verwaltung entzogen ist. Bei der Ver- 
waltung unterliegt der Vater ähnlichen, jedoch 
nicht so weitgehenden Beschränkungen wie ein 
Vormund; er bedarf namentlich zur Vornahme 
gewisser Rechtsgeschäfte für das Kind ebenfalls 
der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. 
Kraft der e. G. hat der Vater die Nutznie- 
zung am Vermögen des Kindes, soweit es 
nicht sog. freies Vermögen ist; zum letzteren 
ehört z. B. das, was das Kind durch seine 
Trkeit oder den ihm gestatteten selbständigen 
etrieb eines Erwerbsgeschäftes erwirbt, und 
was ihm ein Dritter mit der Bestimmung zu- 
ewendet hat, daß es der Autznießung des 
Baters entzogen sein solle. Das Becht der 
bekbntehung endigt, auch wenn die e. G. fort- 
del cat. mit der Verheiratung des Kindes, d. i. 
zel ochter, da ein minderjähriger Sohn nicht 
be raten kann (s. Ehemündigkeit), es sei 
.1 chn, da die Ehe ohne die erforderliche elter- 
ur willigung eschlossen worden ist, und 
shaft erzicht des Vaters, der dem Vormund- 
blat sgerichte gegenüber in öffentlich beglau- 
sa#en gn Form zu erklären ist. Das Vormund- 
uflissericht hat über den Vater beine ständige 
* cht wie über den Vormund, wohl aber 
Fäll befugt und verpflichtet, in einzelnen 
b cheen Die im Interesse des Kindes erforder- 
der Vai aßregeln zu treffen, so z. B., wenn 
und dirser verhindert ist, die e. G. auszuüben 
wird. #e auch nicht von der Mutter ausgeübt 
leibll und wenn der Vater das geistige oder 
besond ae Wohl, 6 Kindee gefährdet, tne- 
öder durch ein ebrenachlässigung dee ainde- 
—e 9 1660). 
Vate#e#nter Umständen ruht die e. G. des 
aters, d. h. der V 
auszuüben, Ja er Vater ist nicht berechtigt, sie 
die Autzule während ihm jedoch in der Regel 
eßung am Vermögen des Kindes ver- 
v. B 
itter, Sandwörterbuch der preußischen Verwaltung. 
  
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bleibt, nämlich wenn er geschäftsunfähig ist, 
wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt 
ist oder wegen körperlicher Gebrechen einen 
Pfleger für seine Person und sein Vermögen 
erhalten hat — hier steht ihm jedoch die Sorge 
für die Person des Kindes neben dem gesetz- 
lichen Vertreter zu, zur Bertretung des Kindes 
ist er aber nicht berechtigt —, und wenn von 
dem Vormundschaftsgerichte festgestellt wird, 
daß er auf längere Zeit an der Ausübung 
der e. G. tatsächlich verhindert ist. 
IV. Die elterliche Gewalt des Vaters 
und damit auch dessen Autznießung am Ver- 
mögen des Kindes endet außer durch seinen 
oder des Kindes Tod oder Todeserklärung, 
die Volljährigkeit oder Volljährigkeitserklä- 
rung des Kindes und die Annahme an Kindes 
Statt von seiten eines Dritten noch durch Ver- 
wirkung, d. i. mit der Rechtskraft des Urteils, 
durch welches der Vater wegen eines an dem 
Kinde verübten Verbrechens oder vorsätzlich 
verübten Vergehens zu Zuchthausstrafe oder 
zu einer Gefängnisstrafe von mindestens sechs 
onaten verurteilt worden ist, diesem Kinde 
gegenüber. Durch eine Verurteilung wegen 
anderer oder an anderen Kindern begangener 
strafbarer Handlungen wird die e. G. nicht 
verwirkt; es kann jedoch deswegen ein Ruhen 
der e. G. infolge tatsächlicher Verhinderung 
(oben III) eintreten oder das Vormundschafts- 
gericht Anlaß zum Einschreiten gemäß 8 1666 
Abs. 1 (oben 10 nehmen. 
V. Solange dem Vater die e. G. zusteht, 
beschränkt sich die e. G. der Mutter auf die 
Teilnahme an der Sorge für die Person des 
Kindes; zu dessen Vertretung ist sie aber auch 
dabei nicht berechtigt, es sei denn, daß der 
Vater an der Ausübung der e. G. verhindert 
ist oder seine e. G. ruht. Bei Meinungsver- 
schiedenheiten zwischen dem Vater und der 
Mutter geht die Meinung des Vaters vor. 
Dagegen erlangt die Mutter an Stelle des 
Vaters die volle e. G. einschließlich der Autz- 
nießung am Vermögen des Kindes, wenn der 
Vater gestorben oder für tot erklärt ist, ferner, 
wenn der Vater die e. G. verwirkt hat und 
die Ehe aufgelöst ist. It das letztere der Fall 
und ruht die e. G. des Vaters, ohne daß Aus- 
sicht besteht, es werde der Grund des Ruhens 
wegfallen, so hat das Vormundschaftsgericht 
der Mutter auf ihren Antrag die Ausübung 
der e. G. zu übertragen; die Mutter erlangt 
in diesem Falle auch die Autznießung an dem 
Vermögen des Kindes. Wenn während be- 
stehender Ehe der Vater an der Ausübung 
der e. G. tatsächlich verhindert ist oder seine 
e. G. ruht, so übt die Mutter ohne weiteres 
die e. G. aus, hier jedoch mit Ausnahme der 
Mutzniehung. Die Mutter erlangt aber die 
e. G. nicht und hann sie nicht an Stelle des 
Vaters ausüben, wenn auch in ihrer Person 
ein Grund der Verwirkung oder des Ruhens 
vorliegt oder sie nach Auflösung der Ehe wieder 
verheiratet ist. Auf die e. G. der Mutter 
finden im allgemeinen die für die e. G. des 
Vaters geltenden Vorschriften Anwendung. 
Der Mutter ist indessen vom Vormundschafts- 
ericht ein Beistand zu bestellen, wenn der 
ater solches durch letztwillige Verfügung an- 
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