Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Staate mit der Durchführung von Privat= 
rechten betrauten Gerichtsvollzieher. Der 
Widerstand sowie der tätliche Angriff gegen 
einen in rechtmäßiger Amtsausübung begrif- 
fenen E. ist nach § 113 St GB. strafbar. 
Exequatur s. Konsuln und Konsulats- 
wesen. 
plosivstoffe — synonym für Spreng- 
stoffe s. d.). Ihr Gebrauch ist bei der Fischerei 
untersagt durch § 21 des Fischereigesetzes vom 
30. Mai 1874 (GS. 197). 
Exponierte Zollstellen sind Zollstellen, 
welche auf Grund von Staatsverträgen im 
Auslande errichtet sind; so liegen deutsche 
Zollstellen in Osterreich (Ssterr.-Oderberg) und 
in der Schweiz (Basel). 
Expropriation s. Enteignung. 
  
Exequatur — Fabrik. 
Exterritorialität bezeichnet die Ausnahme- 
stellung, welche die Vertreter fremder Mächte 
einschließlich ihrer Familie, sowie ihres Ge- 
schäfts= und Dienstpersonals sowohl für ihre 
Person, wie auch in gewissem Umfange für 
ihren Besitz in bezug auf die Handhabung 
der Gerichts= und Polizeigewalt des Staates, 
bei dem se beglaubigt sind, genießen (s. hierzu 
GVS. 88§ 18—21 und ZPO. § 15). Wegen der 
Zollfreiheit des Anzugsgutes usw. für die beim 
eutschen Reich und Luxemburg beglaubigten 
Gesandten und ihr Personal vgl. Anleitung 
für die Zollabfertigung (s. d.) Teil I. Mr. 9. 
Den bei einem Bundesstaat beglaubigten di- 
plomatischen Vertretern wird Zollfreiheit nur 
auf privative Rechnung gewährt (s. Zoll- 
befreiungen C). 
Fabrik. Unter F. sind alle Betriebe zu 
verstehen, in denen im großen Gegenstände 
gewerbsmäßig aus Rohstoffen hergestellt oder 
be= oder verarbeitet werden. Die Gew O. gibt 
keine Definition des Begriffs „F.“ Die Frage, 
ob ein Gewerbebetrieb als F. anzusprechen ist, 
ist nach den Umständen des Einzelfalls zu 
entscheiden. Das R. hat in zahlreichen Ent- 
scheidungen eine Reihe von Merkmalen auf— 
estellt, die bei Beurteilung der Frage, ob eine 
9. vorliegt, auf ihre Anwendbarkeit zu prüfen 
sind, und zwar: die Größe und Ausdehnung der 
vorhandenen Räumlichkeiten; der Umfang und 
Wert der hergestellten Jahresmenge; die Art 
der Arbeitsteilung und die mehr mechanische 
oder mehr Rhunstgemäße Mitwirkung der Ar- 
beiter; die mehr oder minder umfassende Ver- 
wendung von Arbeitsmaschinen; die Her- 
stellung der Gegenstände auf Bestellung und 
zum Einzelverkauf oder auf Vorrat oder zum 
Massenabsatz (auch Halbfabrikate); der Charak-= 
ter des Betriebes als Hilfsbetrieb der Maschinen- 
und Großindustrie, namentlich die Anfertigung 
von Spezialitäten; die persönliche Beteiligung 
des Betriebsunternehmers an der Herstellung 
der Gegenstände oder die Beschränkung seiner 
Tätigkeit auf die kaufmännische Leitung des 
Unternehmens; die handwerksmäßige Ausbil- 
dung von Lehrlingen und die Beschäftigung 
jugendlicher Arbeiter (ogl. RG. 1, 379; 8, 124; 
14, 423; 25, 3; 36 S. 37, 305). Es ist nicht 
erforderlich, daß im Einzelfalle alle diese 
Merkmale vorliegen, vielmehr genügt das Zu- 
sammentreffen mehrerer von ihnen (RSt. 
14, 423). Das entscheidende Gewicht ist nicht 
auf den Umfang, sondern auf die individuelle 
Beschaffenheit des Gewerbebetriebes und in 
Gesamtheit der darin bestehenden Geschäfts- 
einrichtungen zu legen (RöSt. 36, 305). 
Unter Anwendung vorstehender Gesichtspunkte 
hat das 2G. entschieden, daß eine Druckerei 
mit Rüchsicht auf ihren Umfang und ihre 
Produktion sowie die Art ihres Betriebs mit 
mehreren durch Dampfkraft bewegten Schnell- 
pressen usw. sich als F. darstellen Kann (RESt. 
  
12, 105). Auf den Sprachgebrauch und darauf, 
ob sich der Druchkereibesitzer in sonstigen Lebens- 
und BRechtsverhältnissen als Fabrikant be- 
zeichnet, Kommt es nicht an (R#t. 8, 124). 
Ein Damenkonfektionsgeschäft von be- 
trächlichem Umfange, mit einer größeren An- 
zahl (30—40) Arbeiterinnen in zwei großen 
Arbeitszimmern, wo die Kostüme in der 
Weise angefertigt werden, daß die einzelnen 
Arbeiterinnen stets nur einen bestimmten Teil 
der Kostüme nähen und die jugendlichen Per- 
sonen als Lehrmädchen mit Aähen, nicht 
aber auf der esehmalshtne beschäftigt werden, 
ist als F. anzusehen (R t. 14, 423; 35, 37; 
Erl. vom 11. Alärz 1901 — HMBl. 1902, 40 — 
und 30. Dez. 1902 — OMl. 1903, 81; KG. vom 
14. Juli 1902 — HMIBl. 1903, 51). Dasselbe 
gilt von einer Wäscherei, in der 30—40 Ar- 
beiterinnen in größeren geschlossenen Arbeits- 
räumen beschäftigt werden, eine Dampfmaschine 
von vier Pferdekräften mit einem Dampfkessel 
von 7 cm Heizfläche verwendet wird. Eine Um- 
wandlung und Verarbeitung von Rohstoffen 
it. für den Begriff der F. nicht erforderlich 
(Rö St. 26, 189). Hotelwäschereien sind 
auch dann MNebenbetrieb der Gastwirtschaft 
und Reine F., wenn in ihnen die Wäsche der 
Hotelgäste gewaschen wird (Rt. 38, 225). 
Eine Flachsschwingerei, welche in ge- 
schlossenen Räumen unter Anwendung von 
Maschinenkraft und Beschäftigung einer größe- 
ren Zahl von Arbeitern in stetigem Betrieb 
ist, aber nur den von dem Besitzer auf 
eigenem Grund und Boden gebauten Flachs 
verarbeitet, ist ein landwirtschaftlicher Meben- 
betrieb und keine F. (RSt. 18, 371). Da- 
gegen ist eine Molkereigenossenschaft im 
Sinne des G. vom 1. Mai 1889, in der die 
selbstgewonnene Milch der Mitglieder der Ge- 
nossenschaft verarbeitet wird, eine F., da die 
Genossenschaft ein von den einzelnen Mit- 
gliedern verschiedenes Rechtssubjekt ist (Ret. 
22, 288). Auf die Triebkraft der Maschine 
kommt es nicht an, eine übermäßige Arbeits- 
teilung ist nicht erforderlich, ebensowenig daß
	        
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