Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

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gebühr beträgt 75, unter Umständen bloß 60, 
50 oder 30 K (Allg Vf. vom 31. März 1908 — 
Il Bl. 189). Wer die Prüfung bestanden hat, 
erhält über das Ergebnis ein Zeugnis des Vor- 
sitzenden der Prüfungskommission und wird von 
dem Präsidenten des Oberlandesgerichts, bei 
welchem er sich zur Beschäftigung melden darf, 
d. i. in erster Linie desjenigen, dessen Bezirk 
er durch Abstammung angehört, zum Referendar 
ernannt und eidlich verpflichtet (G. vom 6. Mai 
1869 § 5; Regul. §§ 12—15). 
II. Zwischen der ersten und der zweiten Prü- 
sung muß ein Vorbereitungsdienst 
von vier Jahren liegen, welcher bei den Amts--, 
Land= und Oberlandesgerichten, der Staats- 
anwaltschaft, sowie den Rechtsanwälten und 
Notaren in einer gewissen regelmäßigen Reihen- 
folge zu verwenden ist (G. § 2 Abs. 3; 
A##GVG. §. 1; G. vom 6. Mai 1869 §§ 6—8 
Abs. 2; Regul. §§ 16—27; Vf. vom 11. Jan. 1910 
— JM l. 6 — über die Ausbildung der Referen- 
dare im Gerichtsschreiberdienste). Referendare 
sind fähig, die Verrichtungen eines Gerichts- 
schreibers wahrzunehmen, und wenn sie im 
Vorbereitungsdienste seit mindestens zwei Jahren 
beschäftigt sind, können sie durch den JM. im 
Falle des Bedürfnisses mit der zeitweiligen 
Wahrnehmung richterlicher Geschäfte bei den 
Amtsgerichten (Hilfsrichter) und durch den 
Amtsrichter, welchem sie zur Ausbildung über- 
wiesen sind, mit der Erledigung einzelner richter- 
licher Geschäfte, in der Regel jedoch nur mit der 
Abhaltung von Terminen, insbesondere der 
Vernehmung von Zeugen, beauftragt werden. 
Zur Urteilsfällung, zur Beurkundung einer 
Verfügung von Todes wegen oder eines Ehe- 
vertrags, zur Entscheidung über Durchsuchungen, 
Beschlagnahmen und Verhaftungen sowie zu 
den Geschäften des Amtsrichters bei Bildung der 
Schöffen= und Schwurgerichte sind Referendare 
nicht befähigt (s. Richter VI). Die Geschäfte 
des Amtsanwalts können von dem Justizminister 
einem Referendar übertragen werden. Auch 
kann ein Referendar in Strafsachen zum Ver- 
teidiger bestellt, in Zivilprozessen und in An- 
gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit 
unter Umständen einer armen Partei zur un- 
entgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte bei den 
erforderlichen Verhandlungen beigeordnet werden. 
Einem mindestens zwei Jahre im Vorbereitungs- 
dienste beschäftigten Referendar kann auch die 
Stellvertretung eines in der Ausübung seines 
Berufs zeitweise verhinderten Rechtsanwalts 
übertragen werden (G. vom 6. Mai 1869 § 8; 
AG#GV. 88 2, 63; PrFG. Art. 130 Ziff. II; 
St PO. § 144; BZPO. § 116; FG. 8 14; 
PrFGG. Art. 1; Rechtsanwaltsordnung vom 
4. Juli 1878 — RBl. 177 — F 25 Abf. 1; 
Allg. Vf. vom 9. Dez. 1879 — Jll. 466). 
Referendare, die durch eine tadelhafte Führung 
zu der Belassung im Dienste sich unwürdig 
zeigen oder in ihrer Ausbildung nicht gehörig 
fortschreiten, können von dem Justizminister 
nach Anhörung des Oberlandesgerichtspräsiden- 
ten ohne weiteres Verfahren aus dem Dienste 
entlassen werden (G. vom 21. Juli 1852 — GE. 
465 — § 84). Wegen der Übernahme von Referen- 
daren in den Gerichtsschreiberdienst s. § 1 Abs. 2, 
 Abs. 2 des G. vom 3. März 1879 — GS. 99). 
  
Richteramt 
III. Nach Beendigung des Vor- 
bereitungsdienstes ist der Referen- 
dar, wenn sich aus den über die Beschäftigung 
vorzulegenden Zeugnissen ergibt, daß er zur 
Ablegung der zweiten Prüfung — der großen 
Staatsprüfung — vor der für den ganzen Staat 
eingesetzten Justizprüfungskommission zu Berlin 
(vgl. über diese JMBl. 1898, 51) für vorbe- 
reitet zu erachten sei, zu dieser Prüfung zu- 
zulassen. Die Gebühr vafür beträgt 100, unter 
Umständen bloß 90, 50 oder 40 K (Vf. vom 
10. März 1909 — JMl. 60). Die Prüfung ist 
ebenfalls eine schriftliche und eine mündliche; 
mit der letzteren ist ein freier Vortrag aus Akten 
zu verbinden. Sie soll einen wesentlich praktischen 
Charakter tragen und ist demgemäß darauf zu 
richten, ob der Kandidat sich eine gründliche 
Kenntnis des öffentlichen und des Privatrechts 
erworben habe, wobei insbesondere auf das 
Rechtsgebiet, wo er seine Ausbildung erlangt 
hat, Rücksicht zu nehmen ist, und ob er für be- 
fähigt zu erachten sei, im praktischen Justizdienst 
eine selbständige Stellung mit Erfolg einzu- 
nehmen (G. vom 6. Mai 1869 88 2, 9, 10; Regul. 
§§ 28—40 Abs. 1; Vf. vom 10. Nov. 1908 — 
Il Bl. 391). Im Falle des Nichtbestehens kann 
die Prüfung nach einer durch das Ermessen der 
Prüfungskommission zu bestimmenden weiteren 
Vorbereitungszeit einmal wiederholt werden 
(Regul. §§ 40 Abs. 2, 42). Die Referendare, 
welche die große Staatsprüfung bestanden haben, 
werden vom JIM. zu Gerichtsassessoren ernannt 
(G. vom 6. Mai 1869 § 11). Die Gerichts- 
assessoren werden nach ihrer Ernennung einem 
Amtsgericht oder Landgericht oder mit ihrer 
Zustimmung einer Staatsanwaltschaft zur un- 
entgeltlichen Beschäftigung überwiesen. Ihre 
Versetzung an einen anderen Ort ist nur mit 
ihrer Zustimmung zulässig. Sie sind jedoch 
verpflichtet, auf Anordnung des IM. die Ver- 
waltung einer Amtsrichterstelle, die Stellung 
eines Hilfsrichters oder eines Hilfsarbeiters bei 
der Staatsanwaltschaft unter Gewährung von 
Diäten (2400—3300.4¾ jährlich, Vf. vom 2. Juni 
1909 — IJ#Mhl. 151) und Ersatz der Reisekosten zu 
übernehmen. Nach Beendigung des ihnen erteilten 
Auftrags treten sie bei demjenigen Gericht oder 
derjenigen Staatsanwaltschaft wieder ein, wohin 
sie vor dem erhaltenen Auftrag überwiesen waren. 
Bei den Landgerichten und bei den Strafkammern 
an den Sitzen der Amtsgerichte sind die Gerichts- 
assessoren zur Wahrnehmung richterlicher Ge- 
schäfte nur befugt, wenn sie als Hilfsrichter bei 
dem Landgericht oder der Strafkammer bestellt 
sind (AGchVW. §8 3—5). Ein Gerichtsassessor 
kann zwar zur Übernahme einer Richterstelle 
nicht gezwungen werden, lehnt er es jedoch ab, 
der Aufforderung des JIM. zur Bewerbung um 
ein bestimmtes Richteramt Folge zu leisten, so 
wird die nach der Ablehnung verflossene Zeit 
bei Feststellung des Besoldungsdienstalters nicht 
mitgerechnet (§ 3 des Richterbesoldungsgesetzes 
vom 29. Mai 1907 — GS. 111). Die Gerichts- 
assessoren sind richterliche Beamte, auf welche 
das Disziplinargesetz vom 7. Mai 1851 Anwen- 
dung findet. UÜber die Besteuerung der Ge- 
schäftsdiäten der Gerichtsassessoren s. O GSt. 
1, 269; 12, 32; 13, 52; Meusel im PrBl. 
31, 93.
	        
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