Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Trunkenbolde 
Arbeitgebers gehörigen Personen bestimmt sein 
(RE St. 30, 253). Im übrigen sind „Lebens- 
mittel“ alle Erfordernisse zur Erhaltung und 
Ernährung des menschlichen Körpers, insbeson- 
dere Waren, welche zum Lebensunterhalte des 
Menschen an Speise und Trank dienen, nicht 
also Tabak, Zigarren, Seife, Spiritus, Steinöl 
— Trunksucht 735 
hörden mitgeteilt worden. Das Betreten der 
Schankräume darf nicht verboten werden (Erl. 
vom 27. März 1907 nebst OV G. vom 1. Febr. 
1907 — MBl. 145). 
II. T. ist die Invalidenrente in der- 
jenigen Gemeinde, für deren Bezirk das Verbot 
der Verabreichung geistiger Getränke ergangen 
(RESt. 15, 437). Zu den Selbstkosten ge- I ist, ihrem vollen Betrage nach in Naturalleistungen 
hören neben den Anschaffungskosten die Kosten zu gewähren. Der Anspruch auf Rente geht 
der Lagerung, Versicherung und sonstigen Unter- auf die Gemeinde über, wogegen diese zur Lei- 
haltung, sowie die aufgelaufenen Zinsen der An= stung der Naturalien verpflichtet ist. Dem 
schaffungskosten (Mot. z. Nov. z. GewO. vom Rentenempfänger ist dies von der Gemeinde zu 
1. Juni 1891 — RTDrucks. Nr. 4 S. 35; RGSt. ieröffnen. Hiergegen kann er binnen zwei Wochen 
  
27, 431). Der Abzug der Forderung für ge- 
lieferte Stoffe vom Lohn ist nicht nur 
bei der nächsten Abrechnung mit dem Arbeiter, 
sondern auch später zulässig, so daß zugunsten 
oder ungunsten des Arbeiters ein Saldo verbleibt. 
Überhaupt ist dem Arbeitgeber die Aufrechnung 
mit zulässigen früheren Gegenforderungen nicht 
verboten (RG St. 32, 221). Arbeitgeber, die un- 
zulässigerweise den Lohn nicht bar auszahlten 
oder Waren kreditierten, werden nach Gew#. 
*146 Abs. 1 Ziff. 1 bestraft. Auch Fahrlässigkeit 
ist strafbar (Re St. 22, 178). Familienglieder 
der Mittelspersonen, z. B. Werkmeisterfrauen, 
können sich wegen Teilnahme strafbar machen 
(Röst. 6, 126). Arbeiter, deren Forderungen 
in einer dem Verbote zuwiderlaufenden Weise 
berichtigt worden sind, können zu jeder Zeit 
Barzahlung verlangen, ohne daß ihnen eine Ein- 
rede aus dem an Zahlungs Statt Gegebenen 
entgegengesetzt werden kann. Dieses fällt, so- 
weit es noch bei dem Empfänger vorhanden oder 
dieser daraus bereichert ist, derienigen Kranken- 
kasse (s. d.) zu, welcher der Arbeiter angehört 
(GewO. § 116). Forderungen für Waren, welche 
unzulässigerweise kreditiert worden sind, können 
von dem Gläubiger weder eingeklagt, noch durch 
Anrechnung oder sonst geltend gemacht werden, 
ohne Unterschied, ob sie zwischen den Beteiligten 
unmittelbar entstanden oder mittelbar erworben 
  
  
  
sind. Sie fallen gleichfalls der Krankenkasse 
zu (GewO. § 118). Nichtig sind auch Verabre- 
dungen zwischen den Gewerbetreibenden und 
den von ihnen beschäftigten Arbeitern über die 
Entnahme der Bedürfnisse der letzteren aus ge- 
wissen Verkaufsstellen (GewO. § 117 Abst. 2). 
S. auch Lohn, Kontraktbruch. | 
Trunkenbolde. I. T. sind Personen, die dem 
Trunk ergeben und als solche von der Orts- 
polizeibehörde gemäß der Anweisung, betr. Maß- 
regeln gegen Trunkenbolde (Anl. B z. Erl. vom 
15. Nov. 1902 — HMl. 412), bezeichnet worden 
sind. Die Polizeibehörden sind nach ALR. 
II, 17 8 10; II, 8 § 444 in Verb. mit § 6c des 
Polizeigesetzes vom 11. März 1850 (GS. 265) 
befugt, den Gast= und Schankwirten sowie den 
Kleinhändlern mit Branntwein durch Polizei- 
verordnung oder polizeiliche Verfügung die Ver- 
abreichung von geistigen Getränken (s. d.) an 
Personen, die ihnen von der Polizeibehörde als 
T. bezeichnet sind, zu verbieten. Den Wirten! 
usw. sowie den T. steht gegen die Verfügung 
der Polizeibehörde die Klage im Verwaltungs- 
streitverfahren zu (OVG. 1, 327). Der Entwurf 
einer entsprechenden Polizeiverordnung, betr. 
die Verabfolgung geistiger Getränke, ist durch 
Erl. vom 18. Nov. 1902 (HMBl. 412) den Be- 
  
  
  
die Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde 
einholen, die auch sonstige Streitigkeiten zwischen 
Gemeinde und T. entscheidet (Inv BG. 8§ 24). 
Das gleiche gilt für T., die eine Rente auf Grund 
eines Unfalls in land= oder forstwirtschaftlichen 
Betrieben beziehen (LuVG. § 26). 
Trunksucht. I. Um der T. und ihren schädlichen 
Folgen tunlichst zu begegnen, hat das positive 
Recht bereits einzelne Bestimmungen goetroffen. 
Die wichtigste davon ist die neue des BG#B., daß 
ein Trunksüchtiger unter gewissen näheren Vor- 
aussetzungen entmündigt werden kann (s. Ent- 
mündigung). Der Vormund eines wegen 
T. entmündigten Volljährigen ist berechtigt, den 
Mündel auch gegen dessen Willen in einer 
Trinkerheilanstalt (s. II.) unterzubringen; einer 
besonderen gerichtlichen Ermächtigung bedarf es 
dazu nicht; das Gericht ist auf Antrag des Vor- 
mundes verpflichtet, diesen bei Durchführung 
der Unterbringung, nötigenfalls durch Anord- 
nung von Zwangsmaßregeln, zu unterstützen 
(K GJ. 39 A 8). Nach weiteren Vorschriften 
des BGB. kann ein wegen T. Entmündigter 
nicht zum Vormunde (Gegenvormunde, Pfleger) 
oder zum Mitgliede des Familienrats bestellt 
werden (§8 1780, 1865) und kein Testament er- 
richten (§ 2229 Abs. 3). Früher bildete teilweise 
auch die T. einen Ehescheidungsgrund (z. B. 
ALnR. II, 1 8§§ 708—710), jetzt nicht mehr. Nach 
der GewO. können wegen liederlichen Lebens- 
wandels Gesellen und Gehilfen vor Ablauf der 
vertragsmäßigen Zeit und ohne Aufkündigung 
entlassen werden (§ 123 Ziff. 2), und unter den 
liederlichen Lebenswandel fällt auch die T. 
Ferner ist dem, der wegen T. übel berüchtigt 
ist, der Wandergewerbeschein zu versagen (GewO. 
§ 57 Ziff. 4). Außerdem ist anerkannt, daß durch 
Polizeiverordnung oder durch eine einzelne poli- 
zeiliche Verfügung Schankwirten verboten werden 
darf, an Trunkenbolde, d. i. Personen, welche 
infolge eines dauernden Hanges zum Genusse 
geistiger Getränke diese übermäßig genießen 
(OVG. 50, 261 und dazu Vf. vom 27. März 
1907 — MBl. 145, HMBl. 136, MMBl. 117 — 
sowie OVG. im Pr Bl. 26, 769), Getränke 
zu verabfolgen. Vom St#lB. (88 361 Ziff. 5, 
8362) ist mit Haft, bei der Arbeitszwang besteht 
und als Nebenstrafe die Überweisung an die 
Landespolizeibehörde zur korrektionellen Nachhaft 
(s. d.) zulässig ist, bedroht, wer sich dem Trunke 
dergestalt hingibt, daß er in einen Zustand ge- 
rät, in welchem zu seinem Unterhalt oder zum 
Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er 
verpflichtet ist, durch Vermittlung der Behörde 
fremde Hilfe in Anspruch genommen werden 
muß. Trunkenheit schließt die Strafbarkeit nur
	        
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