XXVII. Abschnitt.
Das Gesandtschaftswesen.
1. Kapitel.
Allgemeines.
Bi Wahrnehmung der Interessen der Deutschen im Ausland
(rKReichs-Verfassung Art. 3 Abs. 6 und Art. 4 Abs. 7) hat nach Reichs-
Verfassung Art. 11 der Kaiser das Recht, das Reich völkerrechtlich zu
vertreten, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen.
Obwohl nun im Gesandschaftswesen gegenüber dem Auslande
die Einheit der Vertretung und die Anerkennung der neuen Macht-
stellung (Sten. Bericht 1867 S. 112) des Reiches am prägnantesten zum
Ausdruck kommt und die Beibehaltung von Sondergesandtschaften der
einzelnen deutschen Bundesstaaten im Auslande neben den Reichs-
gesandtschaften sich als überflüssig erweist, ist das Gesandtschaftswesen
nicht in Art. 4 der Reichs-Verfassung ausgenommen worden. Die
Einzelstaaten haben daher nach wie vor das Recht, eigene Gesandte
bei andern deutschen Staaten und in fremden Staaten zu halten und
von solchen zu empfangen, wo keine Reichsgesandtschaft besteht, oder
neben einem Reichsgesandten noch einen eigenen Gesandten zu halten.
Bezüglich Bayerns enthält das Schlußprotokoll (1871 S. 24) in
Abschnitt VII und VIII folgende Bestimmungen:
Der Königlich Preußische Bevollmächtigte gab die Erklärung ab,
daß Seine Mojestät der König von Preußen kraft der Allerhöchst ihnen
zustehenden Präsidialrechte, mit Zustimmung Seiner Majestät des Königs
von Bayern, den Königlich Bayerischen Gesandten an den Höfen, an
welchen solche beglaubigt sind, Vollmacht erteilen werden, die Bundes-
gesandten in Verhinderungsfällen zu vertreten.
Indem diese Erklärung von den Königlich Bayerischen Bevoll-
mächtigten acceptiert wurde, fügten diese bei, daß die Bayerischen Ge-
sandten angewiesen sein würden, in allen Fällen, in welchen dies zur
Geltendmachung allgemein deutscher Interessen erforderlich oder von
Nutzen sein wird, den Bundesgesandten ihre Beihilfe zu leisten.
Bock, Staatsrecqht. 31