784 Dritter Teil: Die einzelnen Materien des Reichsrechts.
dem Gesetz vom 29. Februar 1876 S. 121 fät 1977 mit dem 1. April
und endigt mit Ablauf des 31. März des folgenden Jahres.
Dieser Etat enthält in der 1. Abteilung die Ausgaben und in
der 2. Abteilung die Einnahmen.
Für diese Form des Etats sind die Bestimmungen der Reichs-Ver-
fassung insofern als maßgebend anzusehen, als darnach der Betrag der Aus-
gaben für die Höhe der Einnahmen maßgebend ist und bei den Betriebsver-
waltungen — Post und Telegraphen — nur die an die Reichskasse fließen-
den Ueberschüsse in Betracht zu ziehen sind. (St. Ber. 1867 II Anl. 9, S. 46.)
Die einzelnen Ressorts stellen ihre Etats selbst auf und die Er-
gebnisse derselben werden in dem Hauptetat summarisch zusammen-
getragen. Diese Spezialetats werden dann dem Hauptetat beigelegt.
Getrennt vom Hauptetat ist der Etat für die Schutzgebiete. Das
gleiche gilt von den sogenannten Nachtrags-Etats.
Jeder dieser 3 Etats wird durch ein besonderes Gesetz festgestellt.
Bei der Feststellung des Militärausgabe-Etats wird die auf Grund-
lagen der Reichs-Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des
Reichsheeres zu Grunde gelegt. (Reichs-Verf. Art. 62 Abs. 4.) «
7. Kapitel.
Die Teilnahme der Volksvertretung an der Finanz-
Verwaltung.
(Das Budget= und Steuerverwilligungsrecht des Reichstags.)
Art. 69 der Reichs-Verfassung bestimmt, daß sowohl alle Aus-
gaben, als auch alle Einnahmen irgendwelcher Art (inkl. der Kosten
eines Kriegs oder einer kriegsähnlichen Expedition, als die vom Gegner
zu bezahlende Entschädigung oder sonstige Leistung) in Form des
Reichshaushalts-Etats dem Bundesrat und dem Reichstag alljährlich
vor Eintritt des neuen Rechnungsjahrs zur Prüfung und Beschluß-
fassung hierüber vorzulegen seien.
Nun könnte es auf den ersten Blick scheinen, als ob alljährlich
alle Einnahmen und alle Ausgaben darin einer jedesmaligen
Neuverwilligung unterliegen würden. Allein durch Reichs-Verfassung
Art. 71 ist das Budgetrecht dahin beschränkt, daß der Bewilligung nur
die gemeinschaftlichen Ausgaben unterliegen und zwar der neuen Ver-
willigung nur diejenigen Ausgaben, die vorher nur für 1 Jahr und
nicht auf eine längere Reihe von Jahren, bezw. dauernd verwilligt
worden und die neuen, d. h. die erstmals oder nach früherer Ablehnung
wiederholt gefordert sind.
Dabei steht dem Reichstag das Recht und die Pflicht zu, die ge-
sorderten Ausgaben ganz oder teilweise zu verweigern, nur auf 1 Jahr
oder auch in besonderen Fällen in für den nachfolgenden Reichs-
tag bindender Weise für eine längere Dauer zu bewilligen.