— 22 —
Staatswesen anerkennen, die im genannten Artikel als durch Vertreter
am Bundesrate beteiligt erscheinen.
Nach dem Vertrage vom 18. Juli 1867 hat Preußen vom
1. Januar 1868 ab die gesamte innere Verwaltung des Fürstentums
Waldeck, mit Ausnahme derjenigen, welche dem fürstlichen Konsistorium
in seiner Eigenschaft als Oberkirchenbehörde zusteht, sowie mit Aus-
schluß der Verwaltung des Stiftes Schaahen übernommen. Preußen
bezieht die gesamten Landeseinnahmen und bestreitet dafür alle Landes-
ausgaben. Dem Fürsten verbleiben die wesentlichen Souveränitäts=
rechte, nämlich die Vertretung des Staates nach außen, das Begna-
digungsrecht, sowie das Recht der Zustimmung zu Verfassungsänderungen
und Gesetzen, insoweit sie nicht die Organisation der Justiz= und Ver-
waltungsbehörden betreffen. An der Spitze der Verwaltung steht ein
vom König von Preußen zu ernennender Landesdirektor, welcher die
verfassungsmäßig der Landesregierung obliegende Verantwortlichkeit
übernimmt. Dieser Landesdirektor übt im Bundesrate das dem Fürsten-
tum nach Art. 6 zukommende ÖStimmrecht aus und empfängt seine
Instruhtion von der preußischen Regierung. Die Dauer des Vertrages
ist vorbehaltlich eines mindestens einjährigen Kündigungsrechtes vor
dieser Frist auf zehn Jahre vereinbart und wiederholt verlängert worden.
Man könnte sich bei dieser Sachlage leicht zu dem Schlusse ver-
führen lassen, daß Waldech mit der Begebung seines auf Art. 6 be-
ruhenden Rechtes, durch einen von ihm zu ernennenden Vertreter sich
mit Sitz und Stimme am Bundesrate zu beteiligen, für Zeit aus der
Zahl der im angeführten Artikel aufgezählten Bundesglieder aus-
geschieden sei. Das wäre jedoch ein Trugschluß. Wenn es auch für
die Dauer der vertragsmäßigen Bindung Rheine Stimme Waldechs in
dem Hinne gibt, daß die Regierung dieses Fürstentums den Vertreter
desselben im Bundesrate zu bestellen und zu instruieren berechtigt ist,
so darf doch nicht übersehen werden, daß die Stimme Waldecks von
Preußen nur kraft Delegation geführt wird. Waldeck hat damit aber
auf die Natur eines Bundesgliedes weder verzichtet noch verzichten
wollen; die dem Vertrage beigefügte Denkschrift bemerkt ausdrüchlich,
daß der Vertrag den Interessen beider Kontrahenten entspreche; denn
während die Souveränität des Fürsten aufrecht erhalten und damit die
Stellung Waldecks im Bunde gewahrt bleibe, werde es möglich, dem
Jürstentume die Kosten eines mit seinen Bevölkerungsverhältnissen nicht
im Einklange stehenden Apparates zu ersparen. —
Durch das Gesetz vom 9. Juni 1871 wurde das von Frankreich
abgetretene Elsaß-Lothringen in eine ganz eigentümliche staatsrechtliche
Stellung gebracht, welche man mit dem Auddrucke „Reichsland“ be-
zeichnet.!)) Seit dem 1. Januar 1874 ist die Reichsverfassung in Elsaß-
1) Gleiche Ansicht Laband II HS. 197 gg.
Hänel 1 5. 823 fg.
Loening S. 123 fg.
Arndt S. 69 fg.