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barkeit des Landesherrn entwickelt, ohne doch die Kabinettsjustiz
aufzuzehren.
Mit diesem geschichtlich gewordenen Zustande kreuzt sich nun
die konstitutionelle Lehre von der Teilung der Gewalten.
Auch die Rechtsprechung soll eine eigene Gewalt sein, bei
der Form und Inhalt sich decken. Sie hat ihren eigenen Träger
in unabhängigen Gerichten, weshalb sie auch als richterliche Ge—
walt bezeichnet wird. Und ihre einzige und ausschließliche Auf-
gabe besteht in der Rechtsprechung, wie sie geschichtlich überkommen
ist, in der Anwendung des Privatrechts durch den Zivilprozeß und
des Strafrechts durch den Strafprozeß.
Diese konstitutionelle Lehre mußte auch hier zunächst nach der
formellen Seite eine Anderung erfahren. Alle Rechte der Staats-
gewalt blieben in der Person des Monarchen vereinigt. Indem
er somit Quelle der Rechtsprechung war und blieb, wurde das Er-
gebnis der Rezeptionszeit behauptet. Alle Urteile ergehen nach
wie vor im Namen des Landesherrn. Es kann sich auch hier nur
handeln um eine Beschränkung des Monarchen in der Ausübung
des Rechts. Der Monarch kann die Rechtsprechung nicht mehr
selbst ausüben im Wege der Kabinettsjustiz, sondern muß sie ausüben
lassen durch unabhängige Gerichte. Das ist jetzt auch formell ge-
meines Recht geworden, indem § 1 GV. in Übereinstimmung
mit den Vll. ausspricht: „Die richterliche Gewalt wird durch un-
abhängige, nur dem Gesetze unterworfene Gerichte ausgeübt.“
Nun könnte man freilich bezweifeln, ob es überhaupt noch
ein monarchisches Recht ist, das der Monarch nicht ausüben darf.
Allein dem Monarchen ist nicht die Ausübung schlechthin, sondern
nur die Ausübung in einer bestimmten Art, durch Entscheidung
des einzelnen Falles entzogen. Er übt die richterliche Gewalt aus,
indem er gesetzlich die Gerichte organisiert und indem er die
Richter ernennt, also durch Bestellung der Organe, die für ihn
die richterliche Gewalt im einzelnen Falle auszuüben haben. Auch
bleibt ihm immer noch eine persönliche Gerichtsbarkeit nach ein-
zelnen Richtungen (Ehrengerichtsbarkeit über Offiziere).
Mit dieser verfassungsmäßigen Unabhängigkeit der Recht-
sprechung hat sich auch die weitere Bestätigung richterlicher Ur-