Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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barkeit des Landesherrn entwickelt, ohne doch die Kabinettsjustiz 
aufzuzehren. 
Mit diesem geschichtlich gewordenen Zustande kreuzt sich nun 
die konstitutionelle Lehre von der Teilung der Gewalten. 
Auch die Rechtsprechung soll eine eigene Gewalt sein, bei 
der Form und Inhalt sich decken. Sie hat ihren eigenen Träger 
in unabhängigen Gerichten, weshalb sie auch als richterliche Ge— 
walt bezeichnet wird. Und ihre einzige und ausschließliche Auf- 
gabe besteht in der Rechtsprechung, wie sie geschichtlich überkommen 
ist, in der Anwendung des Privatrechts durch den Zivilprozeß und 
des Strafrechts durch den Strafprozeß. 
Diese konstitutionelle Lehre mußte auch hier zunächst nach der 
formellen Seite eine Anderung erfahren. Alle Rechte der Staats- 
gewalt blieben in der Person des Monarchen vereinigt. Indem 
er somit Quelle der Rechtsprechung war und blieb, wurde das Er- 
gebnis der Rezeptionszeit behauptet. Alle Urteile ergehen nach 
wie vor im Namen des Landesherrn. Es kann sich auch hier nur 
handeln um eine Beschränkung des Monarchen in der Ausübung 
des Rechts. Der Monarch kann die Rechtsprechung nicht mehr 
selbst ausüben im Wege der Kabinettsjustiz, sondern muß sie ausüben 
lassen durch unabhängige Gerichte. Das ist jetzt auch formell ge- 
meines Recht geworden, indem § 1 GV. in Übereinstimmung 
mit den Vll. ausspricht: „Die richterliche Gewalt wird durch un- 
abhängige, nur dem Gesetze unterworfene Gerichte ausgeübt.“ 
Nun könnte man freilich bezweifeln, ob es überhaupt noch 
ein monarchisches Recht ist, das der Monarch nicht ausüben darf. 
Allein dem Monarchen ist nicht die Ausübung schlechthin, sondern 
nur die Ausübung in einer bestimmten Art, durch Entscheidung 
des einzelnen Falles entzogen. Er übt die richterliche Gewalt aus, 
indem er gesetzlich die Gerichte organisiert und indem er die 
Richter ernennt, also durch Bestellung der Organe, die für ihn 
die richterliche Gewalt im einzelnen Falle auszuüben haben. Auch 
bleibt ihm immer noch eine persönliche Gerichtsbarkeit nach ein- 
zelnen Richtungen (Ehrengerichtsbarkeit über Offiziere). 
Mit dieser verfassungsmäßigen Unabhängigkeit der Recht- 
sprechung hat sich auch die weitere Bestätigung richterlicher Ur-
	        
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