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herrn und war damit dem Staate verbunden. Alle Zugehörigkeit
zum Staate war durch den Stand vermittelt. Erworben und
verloren wurde nur die Zugehörigkeit zum Stande und damit
zum Staate.
An diesen ständischen Grundlagen hat auch die absolute
Monarchie festgehalten. Das ALR. II, 7 ff., wenn es auch
bisweilen von Bürgern oder Einwohnern des Staates spricht,
kennt daher keine allgemeine Staatsangehörigkeit, sondern nur ein
Ständerecht.
Erst mit der Beseitigung der ständischen Gliederung der Ge-
sellschaft durch die Ereignisse im Anschlusse an die französische
Revolution, in Preußen durch die Stein-Hardenbergische Gesetz-
gebung war die Voraussetzung für die Gleichheit aller vor dem
Gesetze im Sinne der staatsbürgerlichen Gesellschaft und damit
für eine allgemeine Staatsangehörigkeit gegeben. Erst hier-
mit entsteht die Frage: Worin liegt das Wesen der Staatsange-
hörigkeit?
Wohl über nichts haben im Laufe des 19. Jahrhunderts die
Ansichten so geschwankt wie über das Wesen der Staatsangehörig-
keit. Bis über die Mitte des Jahrhunderts herrschte unter den
naturrechtlichen Einflüssen der französischen Revolution, die nach
der Lehre vom Vertragsstaate den Staat selbst als das Erzeugnis
der Einzelwillen auffaßte, die Überzeugung, daß die Staatsangehörig-
keit eine Summe von Rechten in sich schließe, deren sich der ein-
zelne als Mitglied der staatlichen Gemeinschaft zu erfreuen habe.
Erst seit Mitte des Jahrhunderts kam man schüchtern auf den
Gedanken, daß der Staatsangehörige gegenüber dem Staate doch
wohl auch Pflichten haben könne, und schloß der Aufzählung der
Rechte noch die Wehrpflicht und die Steuerpflicht an. Seit Gerber
1869 in seinen Grundzügen des deutschen Staatsrechts die Rechte
als bloße Reflexrechte bezeichnete, trat die Pflichtseite immer mehr
in den Vordergrund und wurde schließlich als das Wesentliche be-
trachtet. Und diese Auffassung ist allein richtig.
Der Staat hat ein umfassendes Herrschaftsrecht über Land
und Leute, das als Inbegriff von Rechten alle möglichen Herr-
schaftsbefugnisse in sich schließt. Dem umfassenden Herrschaftsrechte