Full text: Staats- und Verwaltungsrecht des Großherzogtums Baden.

80 
III. 
823. Die richterliche Gewalt. 
Die Anwendung des Privatrechts in der Form 
des Zivilprozesses und die Anwendung des Straf- 
rechts in der Form des Strafprozesses ist das 
ursprüngliche Gebiet der Rechtspflege. Nach der 
alten deutschen Gerichtsverfassung war ihre 
Selbständigkeit schon dadurch gewährleistet, daß 
der Obrigkeit, dem Richter, nur die Leitung des 
Verfahrens und die Vollstreckung oblag, die 
Rechtsfindung dagegen Sache der Schöffen als 
der Vertreter der Gerichtsgemeinde war. Die 
Schöffenverfassung war freilich mit der Rezeption 
der fremden Rechte untergegangen, überall wurde 
der Richter an der Rechtsprechung beteiligt, in 
den größeren Gerichten verwandelten sich die 
Schöffen in rechtsgelehrte Beisitzer, bei den 
kleineren Gerichten starb das Schöffentum ab. 
Dadurch wurde die Rechtsprechung der Sphäre 
der Volksfreiheit entrückt und Ausfluß der Ohrig- 
keit. Indem überall unmittelbare oder mittelbare 
landesherrliche Organe das Recht zu handhaben 
hatten, nimmt der Landesherr das, was er durch 
seine Organe tut, auch für sich selbst in Anspruch. 
Das 17. und 18. Jahrhundert ist das klassische 
Zeitalter der Kabinettsjustiz mit allen ihren Aus- 
flüssen. 
Dagegen wendet sich die konstitutionelle 
Lehre, indem sie auch die Rechtsprechung für 
eine eigene Gewalt erklärt, deren Träger die Ge- 
richte sein sollten. Wie auf anderen Gebieten 
kreuzte sich aber auch hier die Verwirklichung 
in den deutschen Einzelstaaten mit dem monarchi- 
schen Prinzipe, so daß sich daraus ganz neue 
Gestaltungen ergaben. 
Das gilt zunächst nach der formellen Seite.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.