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feststellen, daß ein energisches, rücksichtsloses Zugreifen der Regie-
rung das deutsche Volk vor dem verhängnisvollen und erbärmlichen
Zusammenbruch des 9. Novembers hätte retten können.
Vom 4. bis 13. Juli 1917 tagte die Stockholmer Konferenz,
an der deutscherseits die Abgeordneten Ebert, Scheidemann,
David, Hermann Müller, Molkenbuhr, S. Fischer, Sassen-
bach und Legien, österreichischerseits Viktor Adler, Ellenbogen,
Renner, Seitz, Anton und Hueber teilnahmen. Die Abgeordneten
der „U. S. P.O.“ Haase, Kautsky, Bernstein und Adolf Hoffmann
fuhren erst später nach Stockholm. Der eigentliche Erfolg der mit
ungeheurem Tamtam angekündigten Konferenz war schon deshalb
ein rein negativer, weil die Sozialdemokraten der Ententestaaten an
ihr nicht teilnahmen. Der ganzen Aktion kam keine größere Bedeutung
bei, als etwa den Diskussionen irgendeines eifrigen Debattierklubs,
die auf das Schicksal der Völker nicht den geringsten Einfluß zu haben
pflegen.
Am 14. Juni 1917 fand die Haupttagung der Arbeiter= und Sol-
datenräte in Rußland statt. Ende Juni trafen sich in Berlin bei der
Gräfin Treubergt, die wie so viele glaubte, eine besondere Mission
zu haben, Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit in der Person
von Maximilian Harden, Hugo Haase und Eduard Bernstein,
was um des Witzes der Weltgeschichte hier festgehalten sei.
Der Monat Juli ist einer der entscheidendsten der poli-
tischen Kriegsgeschichte des deutschen Volkes! Am 6. und
7. Juli 1917 ging Erzberger ganz plötzlich in der Budgetkommission
zu einem scharfen Angriff auf die Politik der Regierung über, deren
Nutznießer er bis jetzt an erster Stelle gewesen war. Dieser Angriff
kam um so unerwarteter, als tatsächliche Beweggründe dazu nicht
vorhanden waren, und er erklärt sich nur aus der an Erzberger hin-
länglich bekannten Sensationslust, sich selbst im Mittelpunkt des
allgemeinen Interesses zu sehen. Der Erfolg dieses Angriffes, dem
die Regierung Bethmann Hollwegs wie immer nicht energisch be-
gegnete, war die Verständigung der Linksparteien untereinander, die
schließlich zu der berühmten Friedensresolution der Erzberger und
Scheidemann vom 19. Juli 1917 führte, die in den Ländern unserer
1 Gräfin Treuberg, „Zwischen Politik und Diplomatie“.