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dahim äußerte, wenn er sich mit Loyd George oder Balfour an einen
Tisch setzen könnte, so „würden wir uns sehr wahrscheinlich in wenigen
Stunden über die Verständigung beziehungsweise die Friedensbasis
so weit geeinigt haben, daß die amtlichen Friedensverhandlungen sofort
beginnen könnten“. Wie aufreizend derartige verantwortungslose
Ausführungen auf die durch einen dreijährigen Krieg erschöpfte Be-
völkerung in der Heimat und auf die in ununterbrochenem Kampfe
stehenden Truppen wirken mußten, braucht hier nicht näher ausgeführt
zu werden.
Am 5. August 1917 wurde an der Wesifront das Flugblatt „Aus
dem Kriegstagebuch eines Kruppdirektors“ (Faksimile 24), das Aus-
züge aus dem Mühlon-Brief enthielt, verbreitet. Von dieser Zeit
an läßt sich das immer stärkere Anwachsen der feindlichen Front-
propaganda genau verfolgen.
Mitte August 1917 herrschte in Deutschland bei der Opposition
wiederum eine allgemeine Streikhetze. Am 16. August 1917 tagte im
Volkshaus in Leipzig eine Versammlung, in der man für den Streik
propagierte, der aber nur in Braunschweig vom 14. bis 17. August
zum Ausbruch kam. Dieser Streik, der vom Spartakusbund ent-
fesselt wurde, ist desbalb beachtenswert, weil er wieder einen aus-
gesprochen politischen Einschlag hat. Die Forderungen der Strei-
kenden umfaßten unter anderem 1:
„Bildung eines Ernährungsausschusses unter Hinzuziehung
der Arbeiter mit ausübender Gewalt, Aufhebung des Belage-
rungszustandes, Gewährung des freien Versammlunggerechtes,
Aufhebung des Hilfsdienstgesetzes, Freilassung sämtlicher poli-
tischer Inhaftierten, Einführung des gleichen, allgemeinen und
geheimen Wahlrechts für Braunschweig, Frieden unter Ent-
sagung von Annerionen und Entschädigungen.“
Am 20. August 1917 fällte das Marinekriegsgericht in dem Meu-
tereiprozeß das Urteil, auf Grund dessen die beiden Haupträdelsführer
erschossen und die anderen zu langjährigen Zuchthausstrafen ver-
urteilt wurden. Dieses Urteil ist vom rein militärischen Gesichtspunkt
aus zweifellos zu verstehen, aber es wirkte herausfordernd, weil die
1 Richard Müller, „Vom Kaiserreich zur Republik“, Band II, S. 89.