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den Charakter eines in einer jahrhundertlangen Tradition wurzelnden
Volkes.
Am 23. Oktober 1918 forderte Kurt Eisner in einer öffentlichen
Versammlung in München die Beseitigung der Monarchie. Am
gleichen Tage sagte Haase im Reichstag:
„.. Meine Herren, die Kronen rollen auf das Pflaster,
die Krone des Bulgarenkönigs Ferdinand, die Krone des Zaren
Nikolaus, die Krone des österreichisch-ungarischen Kaisers. Die
Kronen, die man schon zu erhaschen glaubte, sind wie ein
Phantom schnell davongeeilt .... Rings um uns werden
Republiken sich auftun, und da soll Deutschland allein, um-
geben von Republiken, noch einen Kronträger haben oder Träger
vieler Kronen und Krönlein.“
Ihm schloß sich in würdiger Reihenfolge am 24. Oktober im
Reichstag Ledebour an, dessen Rede in den Worten gipfelte:
„.. Aber mit der Kronniederlegung Wilhelms II. wire
wenig gebessert. Ich will auf seine Nachkommen nicht weiter
eingehen. Ich meine, man muf sich nicht mit einzelnen Personen
aufhalten, sondern es muß ein fach das ganze monarchische
System beseitigt werden .
Die Unabhängige Sozialdemokratie ist der Ansicht, daß aus
dem furchtbaren Zusammenbruch, den der Weltkrieg herbeigeführt
hat, das deutsche Volk sich nur dadurch eine glückliche Zukunft
sichern kann, daß es sich republikanische Einrichtungen
schafft, die die verderbliche kapitalistische Produktionsweise durch
die sozialistische ersetzen. Indem wir diese Erklärung abgeben,
appellieren wir damit an die Arbeiterschaft Deutschlands, daß
sie das Werk der Revolutionierung unserer Verhältnisse,
zu dem das Bürgertum unfähig ist, ihrerseits in die Hand
nimmt.“
Einen Tag später erließ Erzberger als kaiserlicher Staatssekretär
der „Zentrale für Heimatdienst“ ein Rundschreiben mit Beigabe der
von ihm für seine Propaganda ausgearbeiteten Richtlinien, in denen
der lapidare Satz steht:
„Vom Oktober 1918 an regiert das deutsche Volk sich selbst.“
1 „Leipziger Volkszeitung“, 29. Oktober 1918.
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