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Frivoler ist das politische Doppelspiel Erzbergers wohl nie ge-
kennzeichnet worden. Schlagend offenbart sich hier die geschichtliche
Fälschung der Begriffe Volk und Partei. Die Parteien der Friedens-
resolution von 1917 hatten die Macht, und um diese zu behaupten,
opferte man Nation, Volk und Reich. Vergeblich waren die War-
nungen, die damals der General Gröner! — der später in erster
Linie die Oberste Heeresleitung zum Waffenstillstand um jeden Preis
drängte und eine höchst zweifelhafte Rolle spielte — an die Regie-
rungen richtete, indem er sagte:
„Was wir von der Heimat fordern, ist nicht Kritik und Polemik,
sondern Stärkung und Stählung von Herz und Seele. Wenn
nicht schleunigst Wandel geschieht, richtet die Heimat das
Heer zugrunde.“
Hier ist in wenigen Worten das Entscheidende gesagt. Nicht
die militärische über macht unserer Feinde entschied über
die Niederlage des deutschen Volkes, sondern der politische
Zusammenbruch der Heimat, in der eine Regierungherrschte,
die Hoch= und Landesverrat tolerierte.
Die Auswirkung der offenen Politik des Hochverrates zeigte sich
zuerst in der Flotte. Hier hatten die revolutionären Kreise schon seit
Jahren ihr erfolgreichste Arbeit leisten können, und am 28. Oktober
1918, als die Flotte von Wilhelmshaven auslaufen sollte, kam es zur
offenen Meutereis.
Wenn ee heute den Linksparteien beliebt, dafür letzten Endes auch
die Heeresverwaltung verantwortlich zu machen, so muß man mit
aller Entschiedenheit darauf hinweisen, daß Heer und Marine zu
diesem Zeitpunkt — um nochmals die Worte Erzbergers zu gebrauchen
— „ein Insirument im Dienste der Regierungspolitik geworden“
waren, mithin ausschließlich die Regierung verantwortlich war für
das völlige Versagen der entscheidenden Stellen.
Der Aufstand, der in der Flotte ausgebrochen war und damit
begann, daß die Heizer auf verschiedenen Großkampfschiffen die Feuer
herausrissen, um eine Ausfahrt der Flotte unmöglich zu machen,
1 Weißbuch Nr. 100.
# Rausch, „Am Springgquell der Revolution“.