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führungen ausdrücklich Gebietserwerbungen gefordert. Erfolgversprechende
Friedensverhandlungen sind aber nur möglich auf der Grundlage, daß kein Volk
vergewaltigt, daß die politische und wirtschaftliche Selbständigkeit und Unab-
hängigkeit jedes Volkes gewahrt, daß allenthalben Eroberungsplänen jeder Art
entsagt wird. Unsere Landesgrenzen und unsere Unabhängigkeit sind gesichert,
nicht der Einbruch feindlicher Heere droht uns, wohl aber geht unser Reich wie
das üÜbrige Europa bei Fortsetzung des Krieges der Gefahr der Verarmung und
der Verwüstung seiner Kultur entgegen. Der deutschen Regierung käme es zu,
da Deutschland sich mit seinen Verbündeten in günstigerer Kriegslage befindet,
den ersten Schritt zum Frieden zu tun. Von der sozialdemokratischen Fraktion
ist sie aufgefordert worden, den Gegnern ein Friedensangebot zu machen. Der
Reichskanzler hat dies jedoch schroff abgelehnt. Der entsetzliche Krieg geht weiter,
jeder Tag schafft neue unsägliche Leiden. Eine Politik, die nicht alles tut, um
diesem namenlosen Elend Einhalt zu gebieten, eine Politik, die in ihrer gesamten
Betätigung in schreiendem Gegensatz zu den Interessen der breiten Massen der
werktätigen Bevölkerung steht, durch unser parlamentarisches Verhalten zu
unterstützen, ist uns unmöglich. Es gilt, dem in allen Ländern hervortretenden
und wachsenden Friedensbedürfnis einen kräftigen Antrieb zu geben. Unseren
Friedenswillen und unsere Gegnerschaft gegen Eroberungspläne können wir nicht
vereinbaren mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten. Wir lehnen die Kre-
dite ab.“
10. Die Leitsätze des Spartakusbundes.
Eine größere Anzahl von Genossen aus allen Teilen Deutschlands hat die
folgenden Leitsätze angenommen, die eine Anwendung des Erfurter Programms
auf die gegenwärtigen Probleme des internationalen Sozialismus darstellen.
1. Der Weltkrieg hat die Resultate der vierzigjährigen Arbeit des euro-
pdischen Sozialismus zunichte gemacht, indem er die Bedeutung der revolutio-
nären Arbeiterklasse als eines politischen Machtfaktors und das moralische
Prestige des Sozialismus vernichtet, die proletarische Internationale gesprengt,
ihre Sektionen zum Brudermorde gegeneinander geführt und die Wünsche und
Hoffnungen der Volksmassen in den wichtigsten Ländern der kapitalistischen
Entwicklung an das Schiff des Imperialismus gekettet hat.
2. Durch die Justimmung zu den Kriegskrediten und die Proklamation des
Burgfriedens haben die offiziellen Führer der sozialistischen Parteien in Deutsch-
land, Frankreich und England (mit Ausnahme der Unabhängigen Arbeiterpartei)
dem Imperialismus den Rücken gestärkt, die Volksmassen zum geduldigen Er-
tragen des Elends und der Schrecken des Krieges veranlaßt und so zur zügel-
losen Entfesselung der imperialistischen Raserei, zur Verlängerung des Gemetzels
und zur Vermehrung seiner Opfer beigetragen, die Verantwortung für den
Krieg und seine Folgen mitübernommen.
3. Diese Taktik der offiziellen Parteiinstanzen der kriegführenden Länder,
in allererster Linie in Deutschland, dem bisherigen führenden Lande der Inter-
nationale, bedeutet einen Verrat an den elementarsten Grundsätzen des inter-
nationalen Sozialismus, an den Lebensinteressen der Arbetterklasse, an allen